Amazon möchte in Northeim ein Verteilzentrum bauen. Im Rathaus reibt man sich bereits die Hände, in den sozialen Netzwerken wird applaudiert. Aber nicht alle freuen sich darüber, dass der Internet-Riese von Northeim aus bald die Region direkt beliefert. Inhaber Northeimer Geschäfte fordern sogar: Amazon darf auf keinen Fall nach Northeim kommen!

Kritischer Umgang

An einem sonnigen Tag vor Pfingsten macht Tobias Janus ordentlich Kilometer entlang der Northeimer City. Breite Straße rauf, Kurze Straße runter, Mühlenstraße, Grafenhof. Auf seinem Weg klopft der Inhaber der Buchhandlung Grimpe an den Türen der Geschäftsleute, in seiner Hand ein Stapel Briefe. Er ist auf der Suche nach Mitstreitern, die das, was dort aufgeschrieben ist, unterstützen.

Amazon, heißt es darin, darf auf keinen Fall nach Northeim kommen, wenn nicht gleichzeitig etwas für die Innenstadt getan wird. Im Gespräch mit Northeim jetzt wünscht er sich außerdem einen kritischeren Umgang mit dem Milliarden-Unternehmen. „Es scheint, als wäre das Thema schon längst entschieden“, so Janus. Als klar wurde, das Amazon nach Northeim kommen will, war ihm und weiteren Unternehmern aus Northeim klar, dass sie nun handeln müssen. Gemeinsam.

Viele Unterstützer

Den Brief unterstützen gleich mehrere Unternehmer, vor allem aus der Innenstadt. Darunter Axel Francke, Francke Wohn- und Tischkultur, Bernd Hahne, Vinothek Northeim, Sigi Beyer, Antiquariat Bücher und mehr, Torsten Südekum, Südekum gesunde Schuhe, Ernst Nolte, Drechslerstübchen Nolte, Maria Eibl, Eibls Teekontor, Zastrow, Zastrow Floristik, Angret Borchers und Manfred Büsing, Naturkost Northeim, Botho Gesecus, Foto Gesecus, Sabine Janda, S.Janda Gardinen&mehr und Tatjana Hartmann und Martina Renneberg, Wäsche & Strumpfetage.

Der Brief

In diesem offenen Brief an den Northeimer Rat zeigen sich die Unterzeichner „verwundert“ über die „zahlreiche(n) Statements politischer Entscheidungsträger, dass die Ansiedlung Amazons den Einzelhandel vor Ort nicht beträfe“. Die lokalen Unternehmer sehen aber vor allem in Amazons Strategie, Waren noch am selben Tag der Bestellung auszuliefern, als große Gefahr für das eigene Geschäft. „Dieses hat durchaus schwerwiegende Folgen für die Innenstadt“, heißt es dazu.

„Befremdlich“ wirke außerdem, mit welchem Bemühen Stadtverwaltung und Ratsmitglieder in ihren Statements „Amazon zu einem Imagegewinn verhelfen“. Zuletzt hatten sich die Fraktionsvorsitzenden überwiegend positiv über die geplante Ansiedlung des Versand-Giganten geäußert. „Mit keinem Wort erwähnen Sie (Die Fraktionssprecher, Anm, d. Red.) die negativen Handlungsweisen und Auswirkungen dieses Internetgiganten, sondern preisen den Konzern als Retter Northeims“, so die Kritik.

Gutes Geld, guter Name

Die Stadt Northeim um Bürgermeister Simon Hartmann und Wirtschaftsförderin Christiane Unger zeigten sich zuletzt vor allem Stolz darüber, dass ein so großer Name wie Amazon ausgerechnet Northeim auf der Landkarte gefunden hat. Gute Werbung sei das für ein Industriegebiet, das nach der Meinung der Stadtverwaltung im Northeimer Westen so schnell wie möglich wachsen soll – mit Amazon als Zugpferd für weitere Unternehmen.

Das Unternehmen lockt mit Arbeitsplätzen für ungelernte Arbeitskräfte mit einer Bezahlung über Mindestlohn. Auch die Unterzeichner des Briefs sind „über jeden Arbeitsplatz froh, der in Northeim geschaffen wird“. Stellen aber gleichzeitig die Frage, ob es richtig sei, „Jubelarien anzustimmen, wenn dieser Konzern 120 Arbeitsplätze für vermutlich ungelernte Arbeiter mit einem Stundenlohn von unter 12 Euro in Aussicht stellt“.

Amazon und die Kleinen

Amazon verspricht am Standort Northeim für jeden Arbeitsplatz ein Mindestgehalt von 11,78 Euro die Stunde plus Zulagen. Das scheint zumindest den Amazon-Gegner „doch ein wenig unverhältnismäßig“.  Das Amazon behauptet, lokale Unternehmen sogar zu unterstützen, sei nicht nachvollziehbar.

Amazon selbst wirbt damit, dass schon jetzt 58 Prozent aller Drittfirmen auf seiner Plattform kleine und lokale Geschäfte sind, die den digitalen Marktplatz mitnutzen. Auch die Infrastruktur des Verteilzentrums will Amazon anbieten und lokale Anbieter als Subunternehmer nutzen. „Wie prominent diese auf Amazon platziert sind, kann jeder selbst sehen“, sagt Tobias Janus. „Wer eine Ware sucht, findet sie vor allem von großen Händlern, die ebenfalls Amazon für sich nutzen.“ Für kleine Händler sei das wenig nützlich.

Das Herz Northeims

Statt für Amazon zu applaudieren, wünschen sich die Kritiker endlich die Umsetzung angekündigter und versprochener Entwicklungen für die Innenstadt. „Immer wieder haben wir in den letzten Monaten gehört, die Innenstadt sei das „Herz Northeims“. Wenn Sie jetzt nicht handeln, wird dieses sehr bald aufhören zu schlagen“, befürchten die Unternehmer. „Wir verlangen daher ein schnelles Maßnahmenpaket zur Rettung der Northeimer Innenstadt.“

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Sollte Amazon die Gelegenheit bekommen, sich in diesem „misslichen Umfeld“ auszubreiten und Kunden am selben Tag mit Ware beliefern, sehen die Unterzeichner schwarz. In ihrer Forderung werden sie deshalb deutlich: „Wir fordern Sie auf, unverzüglich im Sinne der Attraktivität der Innenstadt zu handeln oder die Ansiedlung Amazons zu verhindern!“

Der Brief im Original

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Verwunderung vernahmen wir zahlreiche Statements politischer Entscheidungsträger, dass die Ansiedlung Amazons den Einzelhandel vor Ort nicht beträfe.

Dabei propagiert der Konzern die „Same-Day Lieferung“ – also die Lieferung von bestellten Waren noch am selben Tag – im weiteren Umkreis des Verteilerzentrums.

Dieses hat durchaus schwerwiegende Folgen für die Innenstadt.

Befremdlich ist zudem, wie Sie Amazon zu einem Imagegewinn verhelfen: Mit keinem Wort erwähnen Sie die negativen Handlungsweisen und Auswirkungen dieses Internetgiganten, sondern preisen den Konzern als Retter Northeims.

Selbstverständlich sind auch wir über jeden Arbeitsplatz froh, der in Northeim geschaffen wird. Aber Jubelarien anzustimmen, wenn dieser Konzern 120 Arbeitsplätze für vermutlich ungelernte Arbeiter mit einem Stundenlohn von unter 12 Euro in Aussicht stellt, scheint uns doch ein wenig unverhältnismäßig. Zumal die Frage ist, wie viele Arbeitsplätze diese Ansiedlung kosten wird.

Northeims Innenstadt wird seit Jahren stiefmütterlich behandelt, dem Sterben des Einzelhandels kann man in dieser Stadt regelrecht zusehen. Investitionen werden verschoben, Konzepte werden angekündigt, an jeglicher Umsetzung mangelt es.

Wenn Amazon dann noch die Möglichkeit bekommt, in diesem misslichen Umfeld Kunden tagesaktuell zu beliefern, sind weitere Geschäftsschließungen unvermeidlich.

Immer wieder haben wir in den letzten Monaten gehört, die Innenstadt sei das „Herz Northeims“.

Wenn Sie jetzt nicht handeln, wird dieses sehr bald aufhören zu schlagen.

Wir verlangen daher ein schnelles Maßnahmenpaket zur Rettung der Northeimer Innenstadt.

Wir fordern Sie auf, unverzüglich im Sinne der Attraktivität der Innenstadt zu handeln oder die Ansiedlung Amazons zu verhindern!

 

Tobias Janus, Buchhandlung Grimpe

Axel Francke, Francke Wohn- und Tischkultur

Bernd Hahne, Vinothek Northeim

Sigi Beyer, Antiquariat Bücher und mehr

Torsten Südekum, Südekum gesunde Schuhe

Ernst Nolte, Drechslerstübchen Nolte

Maria Eibl, Eibls Teekontor

Zastrow, Zastrow Floristik

Angret Borchers und Manfred Büsing, Naturkost Northeim

Botho Gesecus, Foto Gesecus

Sabine Janda, S.Janda Gardinen&mehr

Tatjana Hartmann und Martina Renneberg, Wäsche & Strumpfetage

5 Kommentare

  1. Ich finde es traurig, dass die Geschäftsleute sich aufregen. Die würden für eine ungelernte Hilfskraft in ihren Geschäften mit Sicherheit keine 11,78€ bezahlen, und außerdem ist es nur ein Verteilzentrum. Die Leute, die bisher nicht in der Northeimer City waren, werden es auch in Zukunft nicht sein. Das hat mit dem geplanten Verteilzentrum überhaupt nichts zu tun

  2. Wenn das Verteilzentrum nicht in Northeim gebaut wird, dann wird es woanders gebaut und hat genau den gleichen Effekt auf die Northeimer Innenstadt, nämlich gar keinen.
    Es werden Arbeitsplätze geschaffen und der Standort Northeim wird auch für andere Firmen attraktiver

  3. Die Stadt Northeim hat schon so viel gross Abeitgeber nicht haben wollen , weil es der Innenstadt schaden würde .
    Die Innenstadt stirbt immer mehr .
    Aber wenn viel neue Arbeitsplätze da sind .Dann würde die Kaufkraft grösser.
    Warum soll wieder eine andere Stadt davon profitieren und mehr Erwerbssteuer einnehmen könnte und Northeim wiedermal leer ausgeht.

  4. Wo ist das Risiko für die Northeimer Kaufleute? Keiner geht zu Amazon ins Verteilzentrum (!) und kauft da ein. Mir fehlt da die logische Begründung. Jeder Berufstätige stellt doch potentielle Kaufkraft auch in der Innenstadt dar.

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