Im März eröffnete Holm Fröchtenicht mit seiner Familie das Cafe „Mein Lieblingsplatz“ am Markt in Northeim. Neue Ideen, neues Konzept, inhabergeführt und persönlich. Dann kam Corona. Fast fünf Monate nach Start sprechen wir darüber, warum die Krise ihn zu einem besseren Unternehmer gemacht hat.
Volles Risiko
Die Lieblingsplätze sind besetzt, mit Blick auf den Northeimer Marktplatz oder geschützt im Schatten der alten Wache. Die Zeiten normalisieren sich während der Corona-Krise. Wer sich zurückerinnern möchte, finden ihren Start ende März: Mini-Lockdown, Kontaktbeschränkungen. Drei Wochen vorher ging Holm Fröchtenicht gemeinsam mit seiner Familie ins Risiko. Mit dem Cafe „Mein Lieblingsplatz“ macht er sich selbständig, baut ein neues und frisches Konzept auf. Schon damals sagte er im Interview, wie wichtig es ihm ist, Gesicht zu zeigen und immer ansprechbar zu sein. Corona zeigte ihm schließlich die Realität und wie wichtig diese Entscheidung wirklich war.
Wir sitzen uns am Tisch gegenüber, Sohn Jonas mit Abstand daneben. In den vergangenen Wochen und Monaten waren es vor allem die sozialen Medien, in denen die Produkte von „Mein Lieblingsplatz“ aufgefallen sind. Saftige Kuchen, erfrischende Getränke, heißer Kaffee – das alles bei Instagram und Co. perfekt in Szene gesetzt. Das geht vor allem auf das Konto des Sohnes. Mit kleinen Videos und ganz vielen Bilder wurden die Gäste daran erinnert, dass sie am Marktplatz nicht irgendwas bekommen, sondern ihren Lieblingsplatz finden. Zu jeder Zeit.
Gesicht zeigen
Vor Ort war es meistens das Gesicht von Holm Fröchtenicht, das aufgefallen ist. „Das ich am Ende so oft gesehen werde, hatte ich mir allerdings nicht gedacht“, sagt er. Dabei hatten sich Idee und Konzept von Anfang an genau darum gedreht. Inhabergeführt, authentisch und mit Charakter. Vor allem aber immer ansprechbar sein, sagt Fröchtenicht. Dazu regionale Rohstoffe und teils ausgefallene Produkte. Immer mit dem Ziel: bleiben und genießen.
Das kam und kommt gut an. „Die Solidarität der Gäste war super“, berichtet Holm Fröchtenicht. Es wurden Gutscheine gekauft, gute Worte gesagt und auch das Trinkgeld war großzügiger als sonst. „Das war schon enorm und hat die Beziehung der Gäste zum Betrieb rundherum verbessert.“ Trotzdem gab es die Zweifel, Ängste und Sorgen auch am Lieblingsplatz. Zwar durfte das Geschäft an der Theke weitergehen, aber der Cafe-Bereich musste abgesperrt bleiben. Zudem gingen die Menschen weniger vor die Tür, hatten Angst oder waren verunsichert.
„Als ich die ersten Zahlen gesehen habe, hatte ich erst vor ganz zu schließen und erst wieder zu öffnen, wenn alles vorbei ist“, sagt Holm Fröchtenicht. Die Familie hatte ihn dann schließlich überredet, weiterzumachen – mit Erfolg. Denn die Gäste dankten es dem mutigen Unternehmer. Ehefrau Vanessa hat sogar ihren Job nach 30 Jahren gekündigt und ist vollständig in das Familienunternehmen eingetreten. Vorher half sie vor und nach Feierabend aus.
Stark geworden
Die Krise, findet Holm Fröchtenicht, habe ihn, seine Familie und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker und selbstbewusster werden lassen.“ Wir wissen, was wir können und was wir nicht so gut können“, ist der Chef selbstkritisch. Zwei Monate lang haben er und sein Team „um jeden Gast gekämpft“. Mit der Zeit stiegen die Besuchszahlen wieder stetig an, jeder neue Tag war ein Erfolg. Heute kehrt langsam wieder Normalität zurück. Die Menschen haben ihn wieder, ihren Lieblingsplatz. „Es mag komisch klingen, aber die Krise kam für uns zur richtigen Zeit. Ein Jahr später wäre das kaum vorstellbar gewesen. So haben wir das gut gemeistert“, findet Fröchtenicht.
Deshalb findet er nun auch wieder Zeit zur Weiterentwicklung. Das Frühstücksangebot wird ausgebaut, neue Brotsorten sind in der Vorplanung. Mit Wein und Stacks möchte er die Northeimer auch am Nachmittag und Abend dazu einladen, es sich am Lieblingsplatz gemütlich zu machen. Das der edle Tropfen direkt aus der Vinothek kommt, ist ein weiterer Baustein der Unternehmens-Philosophie. „Wir wollen gemeinsam mit den anderen Northeimer Unternehmen durchstartet. Das war von Anfang an so. Durch Corona wurde noch deutlicher, wie wichtig es ist, zusammen zu arbeiten.“
Viele Ideen
Projekte wie das Northeimer Gute-Laune-Paket sind entstanden. Auch beim Northeimer Hilfs-Projekt spendete Mein Lieblingsplatz Brot. Die Beziehung zu den Nachbargeschäften wurde eng und intensiv. „Wir haben uns ja täglich gesehen, miteinander geredet und unterstützt“, sagt Holm Fröchtenicht. „Ich bin trotz des erlebten immer noch ungeduldig und habe viele Ideen, die ich lieber heute umgesetzt haben möchte als morgen. Ich habe aber auch Demut zur richtigen Zeit gelernt.“
Die Gäste haben Mein Lieblingsplatz nicht vergessen, viele neue sind hinzugekommen und schätzen die gute und harte Arbeit der Fröchtenichts und des Teams. Auch deshalb appelliert Holm Fröchtenicht an die Vernunft alle Northeimer, um eine zweite Welle zu verhindern. So wird er auch weiterhin der Gastgeber sein, den er von Anfang an versprochen hat. „Das ist meine Aufgabe, die Familie bleibt das Gesicht des Unternehmens.“