Kaum etwas verbindet Menschen so schnell miteinander wie eine Tasse Kaffee. Die wichtigste Fragen dabei: wo und mit wem. Ich habe Holm Fröchtenicht getroffen, an seinem Lieblingsplatz – „Mein Lieblingsplatz“. Gesprochen haben wir auch über sein neue Cafe am Markt, ausgestattet mit regionalen Produkten. Vor allem haben wir aber darüber gesprochen, was Northeim bisher fehlt, um wieder „sexy“ zu sein.

Richtig Bock

Lasst uns ein kleines Spiel spielen. Stellt euch vor den Spiegel und schaut, wie breit ihr grinsen könnt. Von Ohr zu Ohr oder gleich einmal rund ums Gesicht? Egal, wie hart ihr es versucht, Holm Fröchtenicht wird gewinnen. Mit „Mein Lieblingsplatz“ kehrt der Northeimer zurück in seine Heimat, ohne nie wirklich weg gewesen zu sein. „Northeim war immer meine Homebase. Ich bin in Hillerse groß geworden, wohne jetzt am Sultmer, habe aber in Hamburg gearbeitet“, sagt der 49-Jährige gelernte Bäcker. Die Idee, sich im Schatten von Sultmer und Wieter selbständig zu machen, tragen er und seine Familie schon seit zehn Jahren mit sich herum. Jetzt endlich, sagt er, habe alles gepasst. Ausschlaggebend war die Location, geworden ist es die Bäckerei-Herrmann-Filiale in der Nähe vom Northeimer Marktplatz. Nach etwas Umbauarbeit wurde daraus „Mein Lieblingsplatz“.

Fröchtenicht will auf regionale Produkte setzen, auf Zusammenarbeit mit anderen Unternehmern aus Northeim und den Ortschaften. Kommen Produkte dann doch einmal von weiter her, müssen sie nachhaltig und fair gehandelt werden. „Dann kostet der Kaffee nun mal ein paar Cent mehr. Ich denke, dass wir das unseren Gästen gut erklären können“, sagt Fröchtenicht.

Schneller Start

Vier Wochen vor der Eröffnung startet die Werbekampagne: Instagram, Facebook, Zeitungsartikel. Der Umbau ist schnell gemacht, vieles von der alten Einrichtung wurde übernommen. Nur die Oberflächen und ein Sitzbereich sind neu gestaltet, um „Mein Liebingsplatz“ einen ganz eigenen Look zu verpassen.

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Heller, grüner, offener. Im Gespräch springt Holm Fröchtenicht immer wieder auf, nimmt Glückwünsche entgegen und Grüße. Die Besucher sind begeistert von dem Mut eines Northeimers, der es in Northeim schaffen will. Die ersten Tage sind gut gelaufen, viele neugierige Gäste haben „Mein Lieblingsplatz“ am ersten Wochenende besucht. Am Sonntag nach der Kirche ist der Laden voll, auch der Außenbereich füllt sich – decken liegen bereit. In den ersten Tagen und Wochen will Holm Fröchtenicht immer im Laden sichtbar und greifbar sein. Das heißt auch: Hände Schütteln, Brote schmieren, Ware beschaffen. Wer es möchte, wird persönlich begrüßt. Der Gastgeber wirkt immer entspannt – „ich habe richtig Bock“, sagt er.

Ausgerechnet Northeim

Ein Café zu eröffnen, Kuchen und Brot zu verkaufen – das ist keine neue Geschichte. Aber das wo und warum, darüber müssen wir sprechen. Es ist vor allem die Geschichte von einem, der Bock hat und mutig genug ist das Riskio einzugehen, alles auf eine Karte zu setzen. Es sei nun an der Zeit, findet Holm Fröchtenicht, dass die Macher an die Oberfläche kommen. Das etwas passiert – gemeinsam. „Ich glaube, dass nur wir als kleine, eigenständige Unternehmer die Chance haben, inhabergeführt etwas [in der Innenstadt] zu bewegen“, sagt Fröchtenicht und vergleicht sich mit großen Filialen und Mono-Stores, die seit Jahre Innenstädte prägen und nur wenig Interesse daran zeigen, gemeinsam einen Standort zu fördern. „Ich habe den Eindruck, Northeim lebt derzeit nur aus dem eigenen Saft. Göttingen fischt viel ab, da ist immer viel los, aber ist hier in Northeim der Markt zu Ende, ist die Innenstadt leer.“ sagt er. „Warum ist das so? Ich glaube schon, dass die kleinen Kaufleute versuchen, hier etwas zu bewegen – aber die sind in der Minderheit.“

Wer eine Innenstadt wie die in Northeim wieder beleben will, muss kleine Schatzkästchen bieten, die mit Individualität überzeugen und die sich vernetzen. Bisher sei das aber „wenig sexy“ gewesen. „Wir müssen die Synergien nutzen, zusammenarbeiten“, sagt Fröchtenicht. „Am Ende des Tages ist es der kleine Kaufmann vor Ort, der das Besondere ausmacht. Davon müsste es sehr viel mehr geben – und die müssen sich miteinander vernetzen“. Schon jetzt arbeitet Fröchtenicht mit Unternehmen wie der Vinothek zusammen und sucht den Schulterschluss, zum Beispiel mit dem Eiscafe direkt gegenüber. „Das ist kein wirklicher Wettbewerb, wir verkaufen ja kein Eis. Gemeinsam können wir viel mehr erreichen“, sagt der gelernte Bäcker.

Was jetzt passiert

„Wir wollen die Marke in den Vordergrund stellen.“ Heißt: Mein Lieblingsplatz, meine Lieblingsprodukte, ganz viel Individualisierung. Dazu gehört es auch, selbst immer vor Ort und ein Gesicht für das Unternehmen zu sein. „Einer von der Familie ist immer da, ich, meine Frau, mein Sohn“. Genau das sei am Ende auch das, was „Mein Lieblingsplatz“ von allen anderen am deutlichsten unterscheiden soll. Produkte, mit denen jeder etwas anfangen kann, lokal geliefert und durch greifbare Menschen vor Ort angeboten. Dass die Wege zu den Lieferanten wie Fruchthof oder Vinothek dann so kurz sind, helfe dabei ungemein.

„Das sind die Synergien, die wir schaffen wollen“, sagt Holm Fröchtenicht. Denn der Schlüssel für eine erfolgreiche Innenstadt und einen starken Standort ist die Zusammenarbeit. Die Hoffnung ist groß, dass mit der Zeit noch mehr mitziehen und neue Spieler hinzukommen. „Dieses zarte Pflänzchen muss langsam wachsen und man darf nicht gleich immer nach dem Wettbewerb schreien und ihn fürchten. Klar macht der neben mir auch Kaffee, aber anders.“ Wer in die Innenstadt kommt, sucht also nicht nur das tolle Produkt, sondern vor allem den Ort und die Person, die es verkauft.

Holm Fröchtenicht möchte nicht einfach nur etwas verkaufen, sondern tatsächlich einen Ort schaffen, an dem etwas passiert. „Wir haben richtig Bock. Wenig Schlaf, aber richtig Bock. Mir macht das richtig Spaß. Wenn ich mit 60 oder 70 sagen müsste: hätte ich mal. Hätte, hätte Fahrradkette. Jetzt habe ich es gemacht. Wir sind guter Dinge, auch das Team hat richtig Bock und die Gäste hinterlassen uns tolles Feedback.“

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