Bei der Geburt ihrer Tochter stellen Ärzte bei Nadja Mann aus Hohnstedt Leukämie fest. Die Erkrankung ist so aggressiv, dass sie sofort eine Chemo-Therapie bekommt. Freunde und Familie starten einen öffentlichen Aufruf, sammeln Geld und unterstützen die zweifache Mutter. Gemeinsam mit der Stefan-Morsch-Stiftung werden vier potenzielle Knochenmark-Spender gefunden. Heute, acht Monate später, ist Nadja Mann wieder zu Hause. Geheilt, sagen die Ärzte. Ich wollte wissen, wie es jetzt weitergeht. „Mit Leben“, sagt sie.

Jetzt ist Weihnachten

Der Frost zaubert feine Kristalle auf die Blätter und den Rasen. Durch die rote Haustür flackert Kerzenschein, rote Schleifen am Tannenzweig leuchten weihnachtlich. Es ist warm und wohlig in der Stube bei Familie Mann. Kinderspielzeug liegt auf der Erde, Mariah Carey singt leise aus dem Radio „All I Want For Christmas Is You„. Alles, was ich mir zu Weihnachten wünsche, bist du. „Das war mein größter Wunsch“, sagt Nadja Mann. „Zu Weihnachten unbedingt zu Hause, bei meiner Familie sein“. Acht Monate liegen hinter der Familie voller Angst und Hoffnung, Entbehrung und Glück.

Dankbarkeit

Am 28. April kam Tochter Hannah auf die Welt. Bei der Geburt stellen Ärzte bei der jungen Mutter Leukämie fest. Krebs. Es ist eine besonders aggressive Variante der Erkrankung, Eile ist geboten. „Das habe ich aber erst viel später erfahren. Die Ärzte wollten nicht, dass ich google und mir unnötig Sorgen mache.“ Direkt nach der Geburt startet die Therapie. Die Diagnose stellt alles auf den Kopf. „Wir hatten unserem Sohn versprochen, dass ich nach der Geburt gleich wieder nach Hause komme“. Die erste Chemotherapie zwingt Nadja Mann 35 Tage dazu, im Krankenhaus zu bleiben. Tochter Hannah darf bei ihr sein, wann immer es möglich ist. Die Nacht verbringt sie auf der Schwesternstation, den Tag bei der Mutter. „Ich bin dankbar, dass das möglich war“, sagt Nadja. „Das hat mir Kraft gegeben.“ Sohn Henry, drei Jahre alt, darf mit Vater Dennis seine Mutter besuchen, fragt, wann sie wieder gesund wird. „Das war eine ganz schwere Frage, auf die ich lange keine Antwort wusste.“

Und dann wieder der Abschied

Bei der ersten Chemotherapie fielen Nadja Mann die Haare aus. „Mehr ist erstmal nicht passiert.“ Der Krebs war noch immer da, aber für zehn Tage durfte sie nach Hause, geschwächt und noch immer krank. Übelkeit, Schwäche und Müdigkeit wurden zum ständigen Begleiter. „Irgendwie war es auch komisch, zwischendurch nach Hause zu kommen. Zwischen den Behandlungen.“ Zu Hause kümmert sich Ehemann Dennis um Kinder und Haushalt, nutzt Elternzeit und Homeoffice. „Das war ein eingespieltes Team, in dem ich mich zurechtfinden musste“, erinnert sich Nadja. „Und dann wieder der Abschied.“ Viermal wurde die Chemo angesetzt, viermal war das Ergebnis offen. Bluttests sollten anzeigen, ob die Leukämie besiegt ist oder nicht. Währenddessen organisierten Freunde und Familie Spendenfeste und riefen zur Unterstützung auf. Auch Typisierungen mit hunderten Teilnehmenden fanden in Edesheim und Hohnstedt statt. Dann das erste Wunder: Über die Spender-Kartei, die auch durch Daten der Stefan-Morsch-Stiftung gefüttert wird, werden gleich vier Menschen auf der Welt gefunden, die ihr Knochenmark an Nadja Mann spenden könnten. Vier genetische Zwillinge.

Gesund

Durch die Spende wird das Immunsystem neu aufgebaut, fast einen Monat hätte die junge Mutter auf einer Isolationsstation liegen müssen – abgeschotten von der Außenwelt und der Familie. Zunächst aber war kein Platz frei und die Therapie wurde fortgesetzt. Regelmäßig überprüften die Ärzte das Blut, um zu schauen, wie die Chemo anschlägt und was der Krebs im Körper von Nadja Mann macht. „Wir wussten nie, mit welchen Gefühlen wir zu den Kontrollen gehen sollten.“ Nach dem Ende der dritten Behandlung zeichnete sich bereits ein Rückgang an, aber noch lange kein Ende der Erkrankung. „Vor jedem Kontrolltermin habe ich alle Glücksbringer ausgepackt.“ Erst nach der vierten Chemotherapie war klar, dass die Erkrankung nicht mehr nachzuweisen ist. „Das hieß, dass ich gesund bin.“ Seit dem 7. Oktober weiß die Familie: Nadja Mann ist frei von Krebs. Sie haben den Kampf gemeinsam angenommen und ihn gewonnen. Und wie geht es weiter?

Jetzt ist Leben

„Mit Leben“, sagt Nadja. „Wir wollen Weihnachten feiern, das Leben wieder genießen und uns freuen, zwei gesunden Kinder zu haben.“ Sie hat ihr Leben zurück, die Familie Ehefrau und Mutter. Gleichwohl kehrt der Alltag wieder ein, mit mal besseren und mal schlechteren Tagen. „Es fällt mir noch schwer, mich für längere Zeit zu konzentrieren. Mir wird auch erst jetzt bewusst, was da im Krankenhaus alles passiert ist und wie schlecht es mir ging.“ Gemeinsam mit einer Familie, die jetzt noch enger zusammengerückt ist, sagt Ehemann Dennis. „Die Nachricht, dass Nadja erkrankt ist, war schon sehr unwirklich. Wir haben dann einfach gemacht, es musste ja irgendwie weitergehend. Diese Zeit schweißt schon noch enger zusammen.“

Hilfe für Menschen auf der ganzen Welt

Und sie erfüllt die Familie mit Dankbarkeit. Dankbar für 200 Menschen, die sich im Sommer haben typisieren lassen und jetzt Betroffenen auf der ganzen Welt das Leben retten können. Dankbar für insgesamt 29.900 Euro Spendengelder für die Stefan-Morsch-Stiftung, die mit dem Geld viele weitere Typisierungsaktionen umsetzen kann. In einer Pressemitteilung äußerst sich die Stiftung ebenfalls zum Happy-End für Nadja Mann. Susanne Morsch, Vorstandsvorsitzende der Stefan-Morsch-Stiftung, zeigt sich erleichtert. „Allein die Vorstellung, dass die Ungewissheit im Moment erst einmal hinter der Familie liegt, finde ich sehr bewegend. Wir drücken natürlich fest die Daumen, dass das so bleibt und die Leukämie nicht zurückkommt.“ Denn auch das kann passieren, doch daran will Nadja Mann jetzt keinen Gedanken verschwenden.

Urlaub

Zum Abschied stehen wir gemeinsam vor einer Wand mit Fotos: Von der Hochzeit, mit den Kindern, mit Freunden. „Nur eines mit meiner neuen Frisur fehlt noch“, sagt Nadja Mann und streift sich durch eine kurze Strähne. Denn auch die Haare sind inzwischen zurückgekehrt. Im kommenden Jahr möchte die Familie gemeinsam in den Urlaub fahren, sich erholen und Zeit miteinander verbringen. Vorher findet noch eine Kontrolle statt, eine Punktion, die erneut Gewissheit bringen wird. „Das ist zwar unangenehm, aber diesmal sind wir ganz entspannt“, sagt Nadja Mann. Und auch die Frage ihres Sohnes Henry durfte sie endlich beantworten. „Jetzt bin ich gesund.“

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