Seit etwas mehr als einem Jahr grübeln, tüfteln und basteln die Stadt Northeim, die Vereine von Stadtmarketing und Tourismus und eine Agentur aus Lübeck an einer Antwort auf die Frage: Wie kann man den Menschen in Zukunft Northeim als attraktiven Standort verkaufen? Nun scheint es sie zu geben, diese Antwort und alles könnte ganz schnell gehen. Über das neue Konzept, das unter anderem eine GmbH vorsieht und die Anzahl der Mitarbeitenden fast verdoppelt, soll der Stadtrat schon Anfang Juli entscheiden. Wichtig wird diese sein, denn der Umbau kostet mehr als eine Million Euro – und könnte ein letztes Mal wegweisen für die Zukunft dieser Stadt sein.

Es gab Workshops und Befragungen, Brainstorms und Telefonate. Die Agentur Cima aus Lübeck wurde Anfang 2021 von der Stadt Northeim als Partner vorgestellt, um zu ergründen, wie es mit dem Stadtmarketing in Northeim weitergehen soll. Bisher kümmerte sich der Verein um Geschäftsführerin Tanja Bittner vor allem um die Veranstaltungen innerhalb der Grenzen der alten Stadtmauer: Stadtfest, Münsterweihnacht, Klostermarkt und viele andere und große verkaufsoffene Sonntage.

Gigantische Chancen

Nebenan im Reddersenhaus, quasi als Küchengemeinschaft, arbeitet der Northeimer Touristik-Verein um Helvi Ritter alles ab, was Touristen erwarten, wenn sie mit Auto oder Zug in der Rhumestadt ankommen. Dieses Konzept ist rund 20 Jahre alt – und scheint nicht mehr richtig zu funktionieren. Die Unternehmen, die beim Stadtmarketing als Mitglieder die Kassen füllen, ziehen sich zurück, machen ihr eigenes Ding – oder gar nichts. Dabei sind die Chancen gigantisch, die Northeim bietet: Das ist nicht nur ein offensichtliches Bauchgefühl, sondern steht auch so im Abschlussbericht der Cima.

Legen den Startschuss zum Umbau des Stadtmarketings (v.l.) Doris Ohlmer und Axel Francke vom Stadtmarketing-Verein, Helvi Ritter vom Northeim-Touristik e.V., Hermann Jürgens vom Touristik-Verein, Büroleiter der Cima, Bürgermeister Simon Hartmann Stadtmarketing-Geschäftsführerin Tanja Bittner und Beat Jürgens, stellv. Vorsitzender vom Stadtmarketing-Verein.

Konzepte, Entwürfe, Pakete

Dieser sieht auch einen Entwurf eines neuen Konzeptes vor, welchen die Stadt Northeim gemeinsam mit dem Stadtmarketing Northeim e.V. und dem Northeim Touristik e.V. erstellt hat. Uwe Mantik, Büroleiter der Cima, stellte in einer Präsentation die bisherigen Ergebnisse und Ziele vor. Als Empfehlung hat er direkt eine Komplettlösung im Gepäck. Die Stadt muss am Ende allerdings entscheiden, was sie daraus macht – vor allem der Rat muss das Geld dazu freigeben. Aber der Reihe nach.

Analyse und Ausgangssituation

Zum Start des Prozesses Anfang 2022 wurde die Ausgangslage der Stadt genau ins Auge genommen. Zur Hilfe kam dabei eine Online-Umfrage an der etwa 700 Menschen aus Northeim teilnahmen. Das Ergebnis: Ein Großteil der Befragten fühle sich mit ihrer Stadt stark verbunden, viele fehle aber das Selbstbewusstsein, um dies auch zu zeigen, da man sich gern hinter Göttingen oder Einbeck versteckt. Besonders gut bewertet wurde die Ausgangslage in der Industrie und die Lage der Stadt. Durch große Firmen wie Continental oder Thimm und die Anbindung an die Autobahn und Bundesstraße sei die Stadt im Vorteil. Die Lebens- und Erlebnisqualität wurde als hoch eingestuft, es gibt viel Kultur sowie Veranstaltungen und eine schöne Umgebung, die zu Tagesausflügen einladen kann.

GmbH statt Verein

Grundlage des neuen Konzeptes für das Stadtmarketing ist die Gründung einer GmbH. Die bisherigen Vereine und die Stadt Northeim sollen in einem Aufsichtsrat Kontrolle ausüben können. Vier Sitzen bekommt die Stadtverwaltung, vier die Vereine. Aufgeteilt wird das neue Unternehmen dann in die Geschäftsbereiche „Standortmarketing“ (ehem. Wirtschaftsförderung Stadt Northeim), „Citymanagement, Citymarketing und Events“ (ehem. Stadtmarketing Northeim e.V.), den Bereich „Tourismus“ (ehem. Tourismus e.V.) und den Bereich „Flächenmanagement“ (ehem. direkt Teil der Stadtverwaltung). Unterstützt wird die Arbeit durch spezielle Arbeitskreise aus Expertengruppen der Stadt. Diese kümmern sich dann konkret um Veranstaltungen wie den Klostermarkt oder die Münsterweihnacht. 

Ein Workshop im Oktober 2021 gab die Richtung vor, in die sich das zukünftige Bild Northeims als Marke entwickeln könnte.

Für wen und für was

In den kommenden Jahren sollen durch das neue Konzept drei wesentliche Punkte in Angriff genommen werden. Dazu gehören die Inszenierung und Belebung der Innenstadt, die Steigerung der Bindung und Identifikation von Bürgern mit der Stadt Northeim und die Stadt regional und überregional deutlicher zu positionieren. Das Gesamtpaket aus Familie, Wohnen, Freizeit und Beruf soll in den Mittelpunkt rücken. Die Zielgruppen sind hauptsächlich in drei Kategorien eingestuft. Zum einen sollen neue Fachkräfte für die Stadt gewonnen werden, dafür zuständig ist das neue Außenmarketing. Weiterhin sollen durch das Stadtmarketing (junge) Familien in der Stadt gehalten werden. Die letzte Zielgruppe wird durch Übernachtungsgäste definiert, wodurch vom Außenmarketing/Tourismusmarketing die Stadt als Erlebnisziel attraktiver gemacht und mehr Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen.

Was sich nun konkret ändert

Sollte der Rat der Stadt Northeim Anfang Juli grünes Licht für den Umbau geben, sieht das Konzept vor, innerhalb der GmbH 16 hauptamtliche Mitarbeitende zu beschäftigen. Betrachtetet man alle bisher Beteiligten der Stadt und die Angestellten der Vereine, steigt die Zahl damit um fünf. Im Kern sind es diesmal aber auch Vollzeitkräfte. Nach aktueller Schätzung der Cima wird die neuen Stadtmarketing GmbH in den kommenden Jahren im Schnitt pro Jahr mehr als 800.000 Euro kosten, wobei zum Start in den ersten fünf Jahren ein Defizit von rund 200.000 Euro pro Jahr zu erwarten sei, das von der Stadtkasse aufgefangen werden müsste. Zusätzlich sieht das Konzept einen Personalkostenzuschuss durch die Stadt von knapp 300.000 Euro vor, Sachkosten stehen mit rund 160.000 Euro im soll. Die Vereine könnten laut Schätzung nur rund 6.000 Euro aus Mitgliederbeiträgen dazu steuern. Aus den Einnahmen der Veranstaltungen und Events und der Verpachtung von Flächen könnte die neue GmbH jährlich rund 220.000 Euro einnehmen.

Geld verdienen

Geld verdient werden soll in Zukunft mit so genannten Sponsoringverträgen. Unternehmen aus der Region kaufen sich die Agenturleistungen der Stadtmarketing GmbH ein. Als Beispiel nennt die Cima hier ein Konzept aus Bielefeld. Dort stehen verschiedene Pakete zu wachsenden Preisen zur Verfügung. Meistens sind diese auf eine Laufzeit von zwölf Monaten angelegt. In dieser Zeit profitieren die teilnehmenden Unternehmen von unterschiedliche Maßnahmen. Das können zum Beispiel sichtbare Platzierung bei Veranstaltungen sein, die Darstellung in sozialen Medien oder das verwenden gemeinsamer Markenbilder. Wie diese Pakete dann aber in Northeim aussehen, muss die neue GmbH für sich erst definieren.

Die Entscheidung

Bereits auf der nächsten Ratssitzung soll über das Konzept und die Beauftragung abgestimmt werden. Laut Bürgermeister Simon Hartmann waren die Rückmeldungen zum Konzept bisher „durchweg positiv“. Er sei zuversichtlich, dass das Projekt einen sehr guten Beitrag für die Stadt leisten wird. Demnach sei die Planung aktuell weiter als erhofft, „was sehr erfreulich ist“. Stimmt der Rat zu, soll der Umbau sofort beginnen. Für 2022 sei demnach der Organisationsaufbau und die GmbH-Gründung geplant. Dazu gehöre auch, entsprechende Stellen auszuschreiben. Dazu gehören neben der Geschäftsführung- und Leitung auch Fachkräfte für Öffentlichkeitsarbeit, Social Media und Leiter für die neuen Fachbereiche. Zudem soll der interne Prozess zur Neuentwicklung einer Northeimer-Marke beginnen. Ebenso werden erste Schritte unternommen, das Sponsoringmodell zu entwickeln. Die Folgejahre sollen dann zur Etablierung und zum Umbau genutzt werden. Schon 2026 – mit Ende der ersten Planphase – soll erstmals Bilanz gezogen werden.

Text und Foto: Lukas Hampe

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein