#Angedacht ist die Kolumne von Pastor Jens Gillner aus der Corvinus-Gemeinde in Northeim.

Leere Plätze. Leere Straßen. Leere Skipisten. Vor wenigen Tagen kursierte auf Facebook ein Video, in dem Webcam-Bilder von touristischen Attraktionen aus aller Welt zusammen-geschnitten waren. Zu sehen waren u. a. der Markusplatz in Venedig, der Petersplatz in Rom, die Champs-Elysee in Paris. Orte an denen sonst das Leben pulsiert, an denen sich Menschen – gehetzt, genervt, beeindruckt, erwartungsvoll – umeinander drängen. Wie wundervoll, diese Orte mal in ihrer vollen Schönheit und Pracht zu sehen. Gleichzeitig war die unterlegte Musik beklemmend. Es fehlte … das Leben.

Dass das Leben fehlt, so wie wir es gewohnt sind, die Erfahrung machen wir in diesen Wochen alle irgendwie. Und wir wissen nicht, wie lange dieser Zustand noch anhält. Die Meinungen, wann der Ausnahmezustand aufgehoben werden kann, gehen gerade weit aus-einander. Die erste Marke ist der 20. April zum Ende der Osterferien. Aber daran glaubt wohl keiner mehr so richtig. Mittlerweile werden auch Veranstaltungen im Sommer reihenweise abgesagt. Und die Konfirmationen im Herbst sind bislang nur in der Glaskugel zu sehen.

Leere, Einsamkeit und Stille haben sich wie ein Schleier über uns gelegt. Unsere täglichen Wege sind unterbrochen. Wir sitzen im Wartezimmer und können nicht sagen, wann wir aufgerufen werden. Manche von uns können solche Situationen gut aushalten. Endlich mal einen Gang runterschalten, die Gedanken zur Ruhe kommen lassen, Zeit haben. Für andere aber wird dieser Zustand allmählich zur Qual – nicht zuletzt auch finanziell, wenn ich an die vielen Kurzarbeiter, an die Kleinbetriebe, privaten Geschäfte und an die Gastronomie denke. Vom Lagerkoller über Langeweile bis hin zu Angstzuständen reicht die Palette dessen, was Menschen zur Zeit empfinden und aushalten müssen.

Eine beeindruckende Gewissheit

Da hinein spricht ein Text, der jetzt am Palmsonntag Thema ist: Aber der Herr, der mächtige Gott, steht auf meiner Seite. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kieselstein und halte alles aus. Ich weiß, dass ich nicht unterliegen werde.

Der Prophet Jesaja spricht von einem sogenannten Gottesknecht – eine Figur, die von Gott ausgesandt wird, um Israel, ja um der ganzen Welt, „Gottes Weisung“ mitzuteilen. Damit macht er sich wahrlich nicht überall Freunde. Er wird geschlagen, verspottet und bespuckt. Ein Schmerzensmann, der still und geduldig erträgt, was man ihm antut. Die ersten Christen haben diesen Gottesknecht mit Jesus identifiziert, der ja auch ohne Widerstand seinen Weg ans Kreuz gegangen ist und dabei allerhand Schläge eingesteckt hat. Auch er kam von Gott, um an die Menschen seiner Zeit Gottes Wort auszurichten.

Was uns heute mit jenem Gottesknecht, aber auch mit Jesus verbindet, ist vielleicht ein Leidensweg, den wir mehr oder weniger unfreiwillig zu gehen haben. Und er fordert uns viel ab, so wie er auch den biblischen Personen viel abgefordert hat, die Gott ins Rennen geschickt hat.

An letzteren beeindruckt mich immer wieder, wie selbstbewusst und zuversichtlich sie ihre Wege gegangen sind: Der Gottesknecht, der sich hart gemacht hat wie einen Kieselstein, weil er weiß, dass Gott ihn am Ende nicht enttäuschen wird. Jesus weiß, dass er auferstehen wird, wenn er durchs Todesdunkel hindurchgegangen ist.

Eine himmlische Ermutigung

Dem Gottesknecht und Jesus bleibt wirklich nichts erspart. Von Menschen verlassen und einsam müssen sie ihrer Bestimmung folgen. Und damit sind sie noch schlimmer dran als viele von uns. Doch wer sich in diesen Tagen auch allein gelassen fühlt, der mag sich durch sie dadurch ermutigen lassen, dass Gott an ihrer Seite ist. Sie gehen zwar jetzt durch eine dunkle und ungewisse Zeit. Aber diese Zeit wird ein Ende haben und einen neuen Anfang.
Gott lässt seine Leute nicht im Stich, die auf ihn ihr Vertrauen setzen. Er wird sie nicht enttäuschen, son-dern macht sie hart und fest wie einen Kieselstein, damit sie durchhalten und tragen können, was er ihnen auf den Weg legt.

Noch fehlt das Leben. Noch herrscht Leere um uns herum. Doch am Gottesknecht und an Jesus kann ich lernen, dass das Leben sich neu Bahn brechen wird. Es wird sich sein Terrain zurückerobern. Es wird neu pulsieren und wieder Fahrt aufnehmen und uns unsere einstigen Entbehrungen vergessen lassen. Wenn das geschieht, wird die Osterbotschaft wahr – Auferstehung von den Toten, Sieg des Lichtes über die Finsternis. Schon jetzt in unserem Leben.

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