Vermutlich am ersten Weihnachtstag brach der Seerundweg in Northeim. Die überfüllte Rhume floss ungehindert in den Notheimer Freizeitsee, lies diesen Ansteigen und den Nordhafen überschwemmen. Bei dem Bruch wurden auch Gasleitungen freigelegt, vorsichtshalber wurden diese außer Betrieb genommen. Inzwischen ist der See und der Weg Sperrgebiet. Doch wie groß war die Gefahr noch, als Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil die Schadstelle besuchte?
Minister im Gefahrenbereich
Als Ministerpräsident Stephan Weil am zweiten Weihnachtsfeiertag Northeim besuchte, stand der Nordhafen, Bootshaus und das Restaurant Seeterrassen bereits unter Wasser. Seit dem Vortag war das Areal um die Bruchstelle weiträumig abgesperrt, am Morgen kontrollierte die Feuerwehr noch einmal per Drohne aus der Luft. Vor dem eigentlichen Besuch des Ministers vertrieb das Ordnungsamt Spaziergänger und Journalisten, unter anderem vom Norddeutschen Rundfunk. Zum einen sei die Gefahr zu groß, das weitere Teile der Böschung abbreche. Auch deshalb wurden umgehend Bäume am Ufer gefällt, damit diese nicht in die Rhume fallen.
Gasleitungen standen unter Druck
Zum anderen wurden bei dem Burch auch mehrere Versorgungsleitungen freigelegt. Darunter eine Hochdruck-Gasleitung des Energieversorgers Nowega, eine Gasleitung der Acavon und eine Glasfaserleitung. Die Entleerung der Gasleitungen fand an den Weihnachtsfeiertagen statt. „Dies wurde als vorbeugende Maßnahme für den Fall einer Beschädigung durchgeführt“, erklärte ein Sprecher der Betreiberfirma. Ob die Leitungen tatsächlich beschädigt sind, könne aber erst gesagt werden, wenn der Pegel weiter sinkt.
Schadstelle ist nun Sperrzone
Zum Besuch des Ministers wurden die Absperrungen aufgelöst. Politiker – darunter auch Bürgermeister Simon Hartmann und Landrätin Astrid Klinkert-Kittel – durften sich gemeinsam mit den Journalisten der Schadstelle bis auf wenige Meter nähern. Um einen freien Blick darauf zu haben, nutzen sie die nun von Bäumen befreite gegenüberliegende Uferseite. Kurz nach dem Besuch wurde das Gebiet wieder weiträumig abgesperrt. Inzwischen regelt eine Allgemeinverfügung der Stadt ein Betretungsverbot für den Nordhafen und erklärt das Gebiet rund um den See und die Schadstelle zur Sperrzone.
Fragenkatalog an die Stadtverwaltung
Auch deshalb gibt es zu der Gesamtlage jetzt einen umfangreichen Fragenkatalog der Northeimer FDP-Ratsfraktion an die Stadtverwaltung. Darin heißt es zur Begründung: „Angesichts des erheblichen Schadens, der durch den Durchbruch der Rhume am Freizeitsee entstanden ist, ist es von entscheidender Bedeutung, die Verantwortlichkeiten, finanziellen Auswirkungen und die Verteilung der Kosten dieses Vorfalls zeitnah zu klären.“ Konkret soll bewirkt werden, „Schwachstellen in der Infrastruktur zu identifizieren und geeignete Schutzmaßnahmen zu entwickeln, um die Sicherheit bei zukünftigen Hochwasserereignissen zu gewährleisten.“
Warum brach der Seerundweg?
Es geht aber auch um zeitliche Fragen. Zum Beispiel, wann der Krisenstab vom Bruch wusste und die Verantwortlichen der kritischen Infrastrukturen darüber informierte. Zudem kommt die Frage auf, warum dort überhaupt solche Leitungen liegen. Und: „Warum wurde erst am 29.12.2023 ein Betretungsverbot durch Allgemeinverfügung erlassen und nicht sofort nach dem der Durchbruch bekannt war?“ – also drei Tage nach dem Minister-Besuch mindestens vier Tage nach dem Dammbruch. Antworten gibt es bisher keine. Schilder weisen aktuell aber auf die Lebensgefahr im Sperrgebiet hin, mit der auch die Allgemeinverfügung begründet ist.
Mobile Gasleitung
Bis klar ist, ob die Leitungen wirklich beschädigt sind, errichtet Energieversorger Avacon eine mobile Ersatzleitung. Damit „überbrücken wir den freigelegten Abschnitt der Gasleitung bis zur Reparatur der freigelegten Gashochdruckleitung“, sagt Unternehmenssprecher Marc-Kevin Behrens. „Die mobile Ersatzleitung verläuft parallel zur Rhume und dem Leitungsverlauf der bestehenden Hochdruckleitung.“
Warten, bis das Wasser sinkt
Auf Anfrage beteuern alle Stellen – Stadt, Leineverband, Energieversorger – dass erst, nachdem der Pegel sinkt, eine wirkliche Schadensaufnahme stattfinden kann. Das betrifft sowohl den Seerundweg selbst als auch den Zustand der Häuser am Nordhafen. Dort gilt auch für die Anrainer ein Betretungsverbot. Die bangen nach wie Vor um ihr Hab und Gut. Denn nach wie vor ist nicht geklärt, ob das Gebiet nach der Sperrung auch gesichert ist. Das Neujahrsschwimmen jedenfalls ist bereits abgesagt.