In fast allen Bereichen sind die Zahlen krimineller Aktivitäten auch in der Region Northeim angestiegen. Das geht aus der Polizeistatistik für das Jahr 2022 hervor, die nun von der Northeimer Polizeiinspektion vorgestellt wurde. Zwar steigen die Werte im Landesvergleich weniger stark an. Dennoch nimmt die kriminelle Energie in bestimmten Bereichen deutlich zu. Deshalb ist es wichtig, sich die Zahlen ganz genau anzusehen.

Die Polizei hat viel zu tun

Northeims Inspektionsleiterin Maren Jäschke bestätigt dies in ihrem Jahresfazit nur indirekt, indem sie den Mitarbeitenden vor Ort für ihren Einsatz dankt. „Die Zahlen belegen, dass die PI Northeim weiterhin für eine hohe Sicherheit und professionelle, engagierte Kriminalitätsbekämpfung steht“, sagt Jäschke. Denn genau diese Zahlen zeigen auch, dass die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in der Region alle Hände voll zu tun haben. Auch „trotz des vermehrten Kriminalitätsaufkommens“, sei es laut Jäschke  „möglich, die Qualität der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung ungeachtet dessen auf einem bemerkenswert hohen Niveau zu halten“.

Die Freiheit, Zahlen zu interpretieren

Statistisch steigen die Fallzahlen im Deliktsbereich seit 2020 kontinuierlich. Das liegt vor allem an neuen Straftaten, zum Beispiel dem Enkeltrick am Telefon oder Betrügereien über das Internet oder per WhatsApp. Dass die Polizei Northeim in ihrem Bericht den Landkreis Northeim deshalb „zu den sichersten Regionen in Niedersachsen“ zählt, ist faktisch betrachtet nur eine relative Bewertung der eigenen Arbeit. Denn im Vergleich zum Jahr 2021 mit 6.479 Straftaten, sind im Jahr 2022 mit 6.774 Straftaten um fast fünf Prozent (4,55 Prozent) gestiegen. Weil im selben Zeitraum dieser Wert im niedersächsischen Durchschnitt gar um fast 11 Prozent angestiegen ist, scheint diese Bewertung verführerisch. Absolut hat sich die Situation aber sogar verschlechtert.

Das Spiel mit den Statistiken

Auf gleiche Weise argumentiert die Polizei bei der Bewertung der eigenen Arbeit. Denn die Aufklärungsquote ist ebenfalls zurückgegangen, nämlich von 68,37 Prozent auf 66,30 Prozent. Im Landesvergleich ist die Abnahme aber noch deutlicher, fällt von 63,84 Prozent auf 61,73 Prozent. Und wo wir schon bei Zahlenspielen sind, wird die sogenannte Häufigkeitszahl ausgepackt. Demnach wurden im Landkreis Northeim 2022 insgesamt 731 Straftaten weniger pro 100.000 Einwohnenden registriert (5141 Fälle).  Allerdings ist auch die Bevölkerungszahl in dieser Zeit aufgrund von Ansiedlungen und Flüchtlingen deutlich angestiegen, was ebenfalls einen Einfluss auf diesen Wert hat.

Corona hat Straftäter zu Hause eingesperrt

Insgesamt gehört zur Bewertung aber auch ein Blick auf die vergangenen Jahre, erklärt Gwendolin von der Osten, Leiterin der Direktion in Göttingen. „Im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen stieg die Zahl der Straftaten im Jahr 2022 um acht Prozent und pendelten sich damit auf ein Vor-Pandemie-Niveau – wie zuletzt 2018 – ein.“ Grund sei auch, dass die Menschen während der Pandemie nicht vor die Tür durften, um Straftaten zu begehen. „Das Leben der Bevölkerung hat sich unter anderem nach dem Wegfall der beschränkenden Maß-nahmen wieder beschleunigt: Die Menschen konnten wieder zusammenkommen wodurch sich auch vermehrt Situationen entwickelten, aus denen heraus Straftaten begangen werden konnten“, so von der Osten.

v.l. Polizeirätin Vanessa Pleiß-Schütte (Leiterin ZKD der PI Northeim) und Polizeidirektorin Maren Jäschke (Inspektionsleiterin der PI Northeim)

Diese Straftaten stehen im Fokus

Häusliche Gewalt: Im Jahr 2022 registrierte die Polizeiinspektion Northeim 458 Fälle von sogenannter „Häuslicher Gewalt“. Detaillierte Mehrjahresvergleiche sind aufgrund einer überarbeiteten Zählweise des niedersächsischen Landeskriminalamtes nicht möglich, jedoch lässt sich eine leicht steigende Tendenz feststellen. Folglich bleibt auch im Jahr 2023 partnerschaftliche Gewalt in ihrer Erscheinungsform der „Häuslichen Gewalt“ eines der Schwerpunktthemen im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Northeim. Behördenleiterin Frau von der Osten dazu: „Es kann nicht sein, dass der gefährlichste Ort für Frauen das eigene Zuhause ist. Deswegen werden wir auch in Zukunft einen besonderen Fokus auf die Bekämpfung von Straftaten im häuslichen Umfeld legen – und zwar unter Zuhilfenahme aller Mittel, die uns zur Verfügung stehen.“

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: Die Fallzahlen im Kontext der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung stiegen im Jahr 2022 in der Region um rund 24 Prozent (181 zu 231 Straftaten). Die Aufklärungsquote der Polizeiinspektion Northeim liegt mit 90,4 Prozent über der landweiten Quote von 88 Prozent. In den betrachteten Deliktsbereich fallen auch alle Formen von Straftaten, die sich unter dem Begriff „sexualisierte Gewalt zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“ subsummieren lassen. Die Verbreitung von kinder- und jugendpornographischem Material nimmt dabei einen Anteil von rund 30 Prozent der Taten ein. Die Aufklärungsquote liegt hier bei nahezu 98 Prozent.

Gewalt gegen Polizeibeamte/-innen, Feuerwehr und Rettungsdienst: Entgegen des landesweiten Trends hat die Gewalt gegenüber Polizeibeamten im Einsatz im Vergleich zum Vorjahr um 5,80 Prozent abgenommen. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 65 Fälle von Widerständen, tätlichen Angriffen und Bedrohungen verzeichnet. Gewaltdelikte gegen Rettungskräfte im Einsatz sind dagegen von einem auf drei Fälle gestiegen.

Kinder- und Jugendkriminalität: Die Gesamtzahl der Straftaten im Bereich der Kinder- und Jugenddelinquenz hat im Jahr 2022 einen leichten Anstieg von 4,55 Prozent zu verzeichnen. So wurden insgesamt 6774 Taten durch Kin-der, Jugendliche und Heranwachsende begangen. Die Aufklärungsquote hingegen sank um 2,07 Prozentpunkte auf 66,30 Prozent.

Wohnungseinbruchdiebstahl: Im Bereich der Tageswohnungs-/ Wohnungseinbrüche liegen die Fälle im Landkreis Northeim im Jahr 2022 leicht über dem Vorjahresniveau. Mit 68 Taten verzeichnet die Polizeiinspektion Northeim eine Zunahme von 19,3 Prozent (11 Fälle), wobei rund ein Drittel aller hier registrierten Straftaten in der PI Northeim erfolglose Versuchsstraftaten (21 Fälle) waren. Somit bewegen sich die Fall-zahlen weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Die Aufklärungsquote der Polizeiinspektion Northeim ist bei diesem aufklärungsungünstigen De-likt nach wie vor mit 33,82 Prozent sehr hoch. Damit ist die Inspektion nicht nur führend in der Polizeidirektion Göttingen, sondern liegt auch deutlich über dem Landesdurchschnitt von 24,12 Prozent.

Betrugsstraftaten / Tatmittel Internet: Die Polizeiinspektion Northeim verzeichnet im Jahr 2022 1.044 Betrugsstraftaten. Im Vergleich zum Vorjahr mit 1.034 Fällen stieg die Anzahl leicht. Dabei wurden rund ein Viertel der Taten mit dem Tatmittel Internet begangen. Das Dunkelfeld dürfte an dieser Stelle sehr hoch sein, da die Täter aufgrund ihrer Anonymität im Internet bzw. ihres vermutlichen Wohnsitzes im Ausland kaum zu überführen sind.

Straftaten zum Nachteil älterer Menschen: Auch im Jahr 2022 musste die Polizeiinspektion Northeim Straftaten zum Nachteil älterer Menschen verzeichnen. Bisher bekannte Tätermaschen, wie die sogenannten Schockanrufe, in denen sich die Anrufer als Amtspersonen (Staatsanwalt, Polizeibeamter) oder Verwandter ausgeben, finden in vielfältigen Abwandlungen noch immer Anwendung. So lagen die Fallzahlen bei 314 Taten mit einer Schadensumme von rund 351.000 Euro und haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Glücklicherweise blieben mittlerweile 77 % aller Anrufe erfolglos und verursachten keinen Schaden. Dennoch muss auch diesem Bereich von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen werden, da viele Straftaten aufgrund von Scham der Opfer, aber auch Versuche aufgrund ausbleibenden Erfolgs nicht angezeigt werden.

Foto: Polizei Northeim

 

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