#AnGedacht ist die Serie auf Northeim-jetzt, in der sich Pastor Jens Gillner der Northeimer Corvinus-Gemeinde ein paar Zeilen Zeit nimmt.

Göttingen in der dritten Dezemberwoche 2018. Ein Mittwoch. Viele Menschen schieben sich durch die Fußgängerzone und durch die Geschäfte. Zum Teil hektische Blicke nach den aktuellen Angeboten, fieberhaft suchend nach den letzten (bei manchen sicher auch nach den ersten) Weihnachtsgeschenken. „Die Jagd ist in vollem Gange!“, dachte ich so bei mir. Auch im Internet konnte man so manches Schnäppchen erwischen – mit Liefergarantie bis Weihnachten.

Pastor Jens Gillner

Quasi auch in „Jägersprache“ ist ein Bibelwort formuliert, das unser christliches Jahresmotto für 2019 sein will: Suche Frieden und jage ihm nach!

Frieden – was ist das?

Alles klar! Der Auftrag ist deutlich und unmittelbar nützlich. Es kann also gleich losgehen. Aber Halt! Schon der erste Teil stellt mich vor eine Herausforderung: „Suche Frieden!“ Was ist das eigentlich: Frieden? So habe ich mich gefragt. Ist Frieden da, wo man konfliktträchtige Themen lieber nicht anspricht oder wo man im Zeichen von „Toleranz“ und Pragmatismus schnell alle Wogen zu glätten versucht? Sichert man den Frieden, indem man – „um des lieben Friedens willen“ – die Dinge unter dem Teppich zu halten bemüht ist, die Menschen entzweien könnten?

Oder ist Frieden einfach nur die Abwesenheit von Krieg und Streit, vielleicht sogar eine Friedhofsruhe, die so beschaulich wie gähnend langweilig ist, weil keine lebendige Auseinandersetzung mehr erfolgt? Und wo hat es jemals wirklichen Frieden gegeben, der nicht irgendwann wieder in sein Gegenteil umgeschlagen ist?

Vielleicht ist „Frieden“ auch nur eine Idealvorstellung, die wir in Reinform auf Erden niemals finden, geschweige denn etablieren werden. Von daher scheint unser Projekt, den „Frieden zu suchen“, von vornherein schon zum Scheitern verurteilt. Und wenn man sich allein schon wieder die Schlagzeilen der ersten Januartage vor Augen führt, möchte man auch gar nicht erst anfangen.

Schalom

In der Tat zeichnet die Bibel gern Idealbilder. So ist auch der Friede (hebr. Schalom) zunächst einmal das Ideal einer heilen, unversehrten Welt, in der es keine Gefahren mehr gibt. In ihr herrscht Gerechtigkeit,und jede Feindschaft ist überwunden zugunsten eines „konstruktiven Miteinanders“.

Dabei stelle ich mir vor, dass auch in einem solchen „Frieden“ Konflikte und Meinungsverschiedenheiten, ja ganze Weltanschauungen, aufeinander treffen und miteinander im Austausch sein werden. Diese aber werden gewaltfrei gelöst, oder doch zumindest gewaltfrei bearbeitet.

Manche Auseinandersetzung wird man vielleicht auch gar nicht mehr führen, weil man erkannt hat, dass man zu keiner Einigung kommen wird. Dann wird Frieden-Schalom wohl darin bestehen, die Differenzen zum Anderen auszuhalten, ohne ihn in Gänze in Frage zu stellen.

In unserer Zeit, in der sich die Meinungen der verschiedenen Lager immer mehr zu verfestigen scheinen und zum Teil auch absolut gesetzt werden, in der „einfache“ Lösungen auf komplizierte Problemlagenangewendet werden sollen und in der Menschen einander nicht mehr zuhören, ist und bleibt Schalom im biblischen Sinne für uns unerreichbar.

Trotzdem „Friedensjäger“ sein

Was soll dann noch das Jahresmotto 2019? Im zweiten Teil fordert es uns auf, dennoch „Friedensjäger“ zu sein, solche also, die eine Idealvorstellung im Kopf haben und ihr eigenes Leben danach ausrichten wollen. Woher bekommen wir dazu die Inspiration? Mutter Theresa, Mahatma Gandhi, Malala Yousafzai, Jesus?

Es gab und gibt viele berühmte Menschen, die wir uns hier zum Vorbild nehmen können. Oder wir suchen einfach Menschen aus unserer nächsten Umgebung – Familie, Freunde, Nachbarn – die uns in ihrer ganz eigenen Friedfertigkeit beeindrucken. Vielleicht ist es ja schon mal ein guter erster Schritt, solche Menschen zu finden, die auf eine ganz ehrliche Weise nach friedlichen Auseinandersetzungen streben.

Und wenn wir versuchen, diesen nachzueifern, gibt es in der Welt immerhinschon einen friedliebenden Menschen mehr als vorher! Schon dafür kann man gegenwärtig nur dankbar sein… Damit wäre dann auch eineabgespeckte Version unseres Jahresmottos schnell formuliert: „Finde eine(n) Friedliebende(n) und eifere ihm nach!“ Das könnte dann auch ein guter Vorsatz für das neue Jahr sein, der nicht gleich wieder an der Körperwaage scheitern muss.

 

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