Am Abend des 15. November erinnerten sich rund 150 Menschen gemeinsam an das schreckliche Zugunglück vor 30 Jahren am Northeimer Bahnhof. Nicht nur wurde ein Kranz am dortigen Erinnerungsstein niedergelegt, sondern auch stille, aber mahnende Worte gesprochen.
Als der Schnellzug am 15. November 1992 am Northeimer Bahnhof entgleiste, war ich gerade mal vier Jahre alt. An den darauffolgenden Tagen kam die Familie zusammen, denn in unseren Reihen waren Feuerwehrleute, die darüber sprechen wollten und mussten. Als Vierjähriger habe ich dazu kindliche Bilder einer Dampflok im Kopf, die von einer Brücke herunterhängt. Die Bilder in den Köpfen der Männer und Frauen, die damals geholfen haben, können sich auch 30 Jahre später nur wenige vorstellen.
Wer diese Menschen sind, war am vergangenen Dienstag am Bahnhof zu sehen. Im Rahmen einer kleinen Gedenkveranstaltung, eingeladen durch die Stadt, wurde noch einmal an die Opfer und die Helfer gedacht. 11 Menschen starben in dieser Nacht vor 30 Jahren, etwa 50 wurden zum Teil schwer verletzt. Unter den Gästen waren Zeitzeugen: Überlebende, Retter und Mitglieder des Rates, der Stadtverwaltung – und auch ehemalige Bürgermeister wie Hans-Erich Tannhäuser und Irmfried Rabe.
Das Wort hatte zunächst aber Bürgermeister Simon Hartmann, der auch Landrätin Astrid Klinkert-Kittel und den neuen Landtagsabgeordneten Sebastian Penno in den Reihen begrüßte. Vor allem aber schaute er in junge und alte Gesichter von ehrenamtliche Helfern, die sich an diesem Abend erinnert und zum Erinnert ermutigen wollten. Mitglieder der Feuerwehren und Rettungsorganisationen, mittlerweile zum Teil weit über 70 Jahre alt, gemeinsam mit nachfolgenden Generationen.
Für sie gemeinsam erinnerte sich Ehrenkreisbrandmeister Bernd Kühle an jene Nacht und den selbstlosen Einsatz der Kameraden. Vor allem aber richtete er sich an die Erben jener Zeit, die jungen Rettungskräfte, mit der Bitte, es für ihre eigenen Seelen heute besser zu machen als ihre Vorgänger. Denn viele erfahrene Einsatzkräfte haben die Bilder noch heute im Kopf, ohne sie jemals verarbeitet zu haben. „Heute haben wir diese Möglichkeiten, heute können wir miteinander reden und helfen“, so Kühle. Neben speziellen Krisäninterventionsteams gibt es mittlerweile auch psychologische Betreuung für Einsatzkräfte im Kreis Northeim. Eine Entwicklung auch als direkte Folge des Zugunglücks, betont Ehrenkreisbrandmeister Kühle. Auch sein Vorgänger im Amt und damaliger Kreisbrandmeister, Bodo Aertel, war dabei.
Auch Mitglieder der THW-Ortsgruppen, der Rettungsdienste, Notärzte und Polizeibeamte waren heute wie damals am Northeimer Bahnhof. Dass nun 30 Jahre vergangene sind, sei laut Bürgermeister Hartmann kein Grund, irgendetwas oder irgendjemanden zu vergessen. „Ich danke Ihnen und allen Ehrenamtlichen, die in dieser Nacht und auch heute im Einsatz sind und waren.“ Es sei wichtig, sich zu erinnert. Und das gelingt nur durch Erzählen.