Eine Woche lang blitzte der Verkehrs-Anhänger „Alice“ in der Northeimer Fußgängerzone. Eigentlich sollte die Anlage in dem verkehrsberuhigten Bereich der Breiten Straße Autofahrer blitzen, die schneller als mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs waren. Wie der Landkreis Northeim jetzt bestätigt, versuchten sich 52 Mal Northeimer auch zu Fuß. Der Schnellste darf sein Foto eventuell sogar behalten: Bilal Souleiman erzählt, wie es dazu kam.

Das Blitzer-Volksfest

Sein Video ging innerhalb weniger Stunden durch die Decke. Seine Frau filmte ihn, wie er versuchte, den Blitzer mit einem ordentlichen Sprint auszulösen. Und es gelang ihm. Amtlich bestätigt schaffte er auf kurze Distanz 26 Kilometer pro Stunde. An den Folgetagen taten es ihm andere Northeimer 51 Mal gleich. „Es kam in den späten Abendstunden zu einem regelrechten Wettrennen, wo sich auch offensichtlich mehrere Personen dazu verabredet hatten“, sagt Kreissprecher Dirk Niemeyer.

Bilal Souleiman war einer der ersten, der Alice mit einem Lauf auf die Probe stellte. Sein Video haben mehr als eine halbe Millionen Menschen gesehen.

Einige nahmen sogar mehrmals Anlauf und schafften es erneut, sagt Niemeyer. Der erste Läufer war auch direkt der schnellste. Mit 26 Kilometer durchlief Souleimann die Blitzeranlage. Nach eigenen Angaben habe er schon mit der Kreisverwaltung gesprochen, um an das Foto zu kommen. „Ich soll mich noch mal melden, man berate sich dazu gerade“, sagt er. Dass sein Video am Ende fast eine halbe Million Menschen gesehen haben und so vielen Northeim gute Laune verschaffte, damit habe er nicht gerechnet.

Für viele Menschen war diese Aktion eine Inspiration und ein positives Signal in sonst schwierigen Zeiten. Das beweisen vor allem hunderte Kommentare unter den Artikeln und Videos. Selbst die Kreisverwaltung nahm es ungewöhnlicherweise mit Humor. Dass sich auch in den Folgetagen Menschen am Blitzer versuchen, spricht für sich.

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Etwas Lustiges für die Menschheit

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass es am Ende so viele sehen und lustig und toll finden“, sagt Souleiman, der an der Breiten Straße eine Shisha-Bar betreibt. Seine Frau hatte das Video aufgenommen, er selbst schickte es seinem Bruder – und von da an ging es in die Welt. Dazu überhaupt sei es gekommen, weil er seit einigen Wochen auf Diät ist und regelmäßig läuft. Sein Bruder machte ihn schließlich auf den Blitzer vor dem eigenen Laden aufmerksam.

Wenig später fuhr er mit seiner Frau dorthin und versuchte sein Glück. „Ich dachte erst, ich müsste schneller sein. Aber es hat auch so gereicht. Ich habe aber auch nicht richtig durchgezogen, sonst wäre ich noch schneller gewesen“, sagt er mit einem Lächeln im Gesicht. Dass jetzt Fußballvereine aus der Region auf der Suche nach einem schnellen Stürmer auch ihn ansprechen, findet er charmant. „Das ist schon ganz cool, ne?“

Insgesamt sei es aber auch ein Zeichen in ernsten Zeiten, sagt er. „Ich denke, jeden Tag etwas Negatives zu hören, ist nicht schön. Es ist eine schwierige Zeit und ab und zu sollte man etwas Spaß machen und Spaß haben“, findet Northeims erster rasender Fußgänger. Vorschlag: Beim nächsten Stadtlauf darf Alice wieder am Straßenrand stehen.

Ernste Messergebnisse

Neben den 52 Fußgängern lösten übrigens noch 20 Radfahrer durch zu hohe Geschwindigkeit eine Messung aus, außerdem 63 Autofahrer sowie vier Lastwagenfahrer. 58 Mal waren die Fahrer so schnell, das nun eine Rechnung bis zu 35 Euro vom Kreis im Briefkasten liegt. Viermal kommt zum Bußgeld auch ein Punkt in Flensburg dazu. Ein Fahrer war sogar 33 Km/h zu schnell. Kostet: 160 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.

Wie auch Bilal Souleiman gelang es vielen weiteren Sprintern, sich mit 52 besonderen Fotos auf der Festplatte von Alice zu verewigen.

Der Landkreis hatte den Blitzeranhänger auf Wunsch der Anwohner aufgestellt. Immer wieder, so die Berichte, würden Autofahrer zu schnell durch diesen Bereich der für den Verkehr geöffneten Fußgängerzone fahren. Neben der Gefahr sei dies aufgrund des Kopfsteinpflasters auch immer wieder eine enorme Lärmbelästigung. Als Anlieger kennt auch Souleimann die Situation. „Manche rasen hier wirklich wie die Verrückten vorbei. Neulich habe ich erst wieder einen angesprochen. Hier laufen ja auch Kinder lang, das wird echt gefährlich.“

Das ganze Gespräch mit Bilal im Video seht ihr in der nächsten Ausgabe von Freitag+Northeim. Übrigens: Auch vor und während des Interviews waren einige Autofahrer zu schnell unterwegs. Gut möglich also, dass der Landkreis bald wieder einen etwas ungewöhnlichen Stadtlauf auslobt. Das Preisgeld zahlen dann aber die, die es auch verdient haben.

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