Es gibt Streit innerhalb der Northeimer Ortsfeuerwehr. Das ist so erstmal weder neu noch originell. Schon in den vergangenen Jahren gab es immer mal wieder Reibung zwischen dem Kommando und den aktiven Einsatzkräften.Nun aber scheint der Streit zu eskalieren. Anwälte sind eingeschaltet, die Stadt versuchte mit einer Stimmungsanalyse die Situation abzukühlen – seit mehr als einem halben Jahr warten Rat und Feuerwehrleute auf Ergebnisse.
Eskalation
Ende Mai 2020 schickte Northeims Bürgermeister Simon Hartmann gemeinsam mit Stadtbrandmeister Bernard Krzepina einen langen Brief an die Feuerwehrleute und alle Mitglieder des Rates der Stadt Northeim. Es habe eine „Image- und Zufriedenheitsanalyse der Freiwilligen Feuerwehr Northein“ gegeben, ein freiwilliges Angebot mit „Schwerpunkt bei der Ortswehr Northeim“. Zuvor seien im Herbst des vergangenen Jahres Mitglieder der Feuerwehr auf das Stadtkommando (Stadtbrandmeister und Stellvertreter) zugekommen und hätten ihnen ihren Ummut geklagt. Daraufhin habe die Stadt Northeim laut Bürgermeister Simon Hartmann vorgeschlagen, einen externen Moderator zu beauftragt, um der Sache nachzugehen.
Im Zeitraum von Dezember 2019 bis März 2020 sollen „vertrauensvolle Gespräche“ mit „einer Vielzahl der Kameradinnen und Kameraden“ geführt worden sein. Im Anschluss sei aber nichts weiter geschehen. Doch weder die Feuerwehrführung noch alle Mitglieder wurden laut Northeim-jetzt-Recherchen darüber informiert.
Nur der Stadtbrandmeister, sein Stellvertreter und die Beteiligten wussten offenbar von dem Angebot. Ein Aushang oder eine Email des Stadtkommandos an alle Mitglieder der Ortsfeuerwehr Northeim hat es auf Northeim-jetzt Nachfrage nicht gegeben. Man sei grundsätzlich davon ausgegangen, dass sich das Angebot von alleine und von Mund zu Mund verbreite, heißt es. Nur durch Zufall haben die Kameraden und schließlich die Wehrführung verzögert davon erfahren.
Die Wehrführung fühlt sich deshalb vom Rathaus offenbar hintergangen, viele Feuerwehrmitglieder inzwischen im Stich gelassen. Die Stimmung innerhalb der Feuerwehr sei mittlerweile auf einen absoluten Tiefpunkt.
Feuerwehr im Stich gelassen?
Die „vertrauensvollen Gespräche“ führte laut Hartmann ein für Northeim zuständiger Schiedsmann, der in diesem Fall aber ausdrücklich nicht als Schiedsmann, sondern als Moderator eingesetzt worden sein. Ein Ergebnis dieser Gespräche gibt es bis heute nicht. In ihrem Brief an den Stadtrat und die Feuerwehr-Mitglieder haben Bürgermeister Hartmann und der Stadtbrandmeister aber bereits festgestellt, „dass es innerhalb der Ortswehr Northeim grundlegenden Handlungsbedarf“ gebe. Und weiter: „Die aktuelle Lage erfüllt uns mit großer Sorge“. Deshalb soll nun „intensiv nach Lösungen zur Herstellung einer Situation [gesucht werden], die für alle Beteiligten vertretbar ist.“
Ob das in der derzeitigen Situation reicht, bezweifelt Reta Fromme, Vorsitzende der CDU-Fraktion im Northeimer Stadtrat. Das es bis heute keine Ergebnisse gebe, sei ein ernstes Problem. Laut Fromme gebe es „in der Ortsfeuerwehr Northeim immer mal wieder „Stress“, der auf der menschlichen Seite seine Ursachen hat.“Nun, vermutet sie, sei dieser nach jüngsten Ereignissen eskaliert. Über die Entwicklung wurde der Stadtrat allerdings nicht informiert. „Der Bürgermeister wurde in dieser Zeit immer wieder nach dem Stand der Dinge befragt. Es gab aber leider immer nur ausweichende Antworten“, so Fromme.
Wie dringend ist es?
SPD-Fraktionschef Marek Wischnewski drückt auf die Bremse. Zum Inhalt der Situation wolle er keine Angaben machen. „Die Feuerwehr sollte nicht zum politischen Spielfeld werden“, fordert er eindringlich. Der Bürgermeister, so Wischnewski, habe bereits „Maßnahmen aufgezeigt und eingeleitet“.Wie diese aussehen könnten, sagt er nicht. „Man muss der Feuerwehr und der Stadtverwaltung Zeit zum Aufklären und zur Konflikt- und Problemlösung geben.“
Zumindest für einige Feuerwehrleute scheint diese Zeit abgelaufen zu sein. Ortsbrandmeister Jens Pinnecke und sein Stellvertreter Sebastian Schipper sind aktuell aus gesundheitlichen Gründen vom Dienst freigestellt. Immer wieder gab es auch durch die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Anfragen an das Rathaus. „Die Kameradinnen und Kameraden beider Lager fühlen sich offensichtlich im Stich gelassen“, deutet nun auch Eckhard Ilsemann. Der FDP-Ratsherr wisse seit Sommer 2019 von Unstimmigkeiten bei der Wehr. „In sehr regelmäßigen Abständen habe ich […] im Verwaltungsausschuss entsprechende Anfragen gestellt“, so Ilsemann. Eine Antwort gab es auch hier nicht.
Zu viel Zeit
Seit der „Image- und Zufriedenheitsanalyse“ sind mehr als sechs Monate vergangen. In Teilen gibt Bürgermeister Hartmann auch der Corona-Pandemie die Schuld daran, noch keine Lösung präsentieren zu können. Als Grund für den Streit sehen Bürgermeister und Stadtbrandmeister offenbar über Jahre gewachsene Regelungen, „die Interpretationen zulassen und unterschiedlichen Vorgehensweisen Raum verschaffen.“ Interne Gespräche an runden Tischen führten zu keinem Erfolg. „Dem wollen wir mit klaren und aktualisierten Vorgaben begegnen“, heißt es dazu.
Unter anderem soll eine neue Satzung für die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Northeim erarbeitet werden. Auch die Dienstanweisungen sollen überprüft werden, heißt es. Zudem soll es einen Ansprechpartner innerhalb der Feuerwehr geben: Eine Art Vertrauensperson mit direktem Kontakt ins Rathaus. Aber: „Diese Funktion soll dabei keineswegs die demokratisch gewählten und etablierten […] Strukturen ersetzen.“ Deshalb sollen diese Maßnahmen noch vor dem Sommer laut Bürgermeister Simon Hartmann gemeinsam mit den aktiven Feuerwehrleuten der Northeimer Ortsfeuerwehr erarbeitet werden.
Geht es nach dem Stadtrat, könnte das aber schon zu spät sein.
Erklärung in eigener Sache
Northeim jetzt unterstützt seit Jahren aktiv die ehrenamtliche Arbeit der Freiwilligen Feuerwehren in der Stadt Northeim und im Landkreis Northeim. Dabei wurde auch mit der Ortsfeuerwehr Northeim, um die es hier geht, eng zusammengearbeitet. Bei jeder Bemühung um Neutralität ist diese Nähe zum Geschehen durch dieses Medium nicht von der Hand zu weisen. Northeim jetzt wird auch in Zukunft die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr und aller ehrenamtlicher Organisationen im Landkreis Northeim unterstützen.