Alles, Alles, hoch und nieder,
Freut sich auf die Fasnet wieder,
Weil sich ein Jedes
So richtig vergessen kann,
Vergessen all die Alltagssorgen
Bis zum Aschermittwochmorgen.
’s gibt noch ’ne Freude
Im Leid, Kopf hoch!
Worte aus dem Rottweiler Narrenmarsch. Nun hat sie wieder begonnen, die 5. Jahreszeit. Ausnahmezustand in weiten Teilen Deutschlands. Und auch hier im Landkreis Northeim sind die ersten Umzüge schon gelaufen. Die Narren sind los, die Partystimmung groß. Viele freuen sich darauf, „mal wieder so richtig abzufeiern“ – nicht nur Kinder und Jugendliche. Vor allem für uns Erwachsene ist der Karneval die Gelegenheit, aus dem Alltag für kurze Zeit auszubrechen und „aus der Rolle zu fallen“: Vergessen all die Alltagssorgen!
Unser Bedürfnis „aus der Rolle zu fallen“ ist schon sehr alt. Gerade die regional völlig verschiedenen Karnevalstraditionen reichen mit gewissen Brüchen und Umformungen bis ins Mittelalter zurück.
Es ist das „Fest der verkehrten Welt“, das nicht zufällig vor der sehr streng reglementierten siebenwöchigen Fastenzeit in Vorbereitung auf Ostern gefeiert wird: Lebensfreude hier, Einkehr und persönliches Eingedenken an die Leidensgeschichte Jesu dort.
Damit ist die Karnevalszeit auch ein fester Bestandteil des Kirchenjahres. Und gerade darum beginnen und enden vor allem in den katholisch geprägten Gebieten Süddeutschlands die Narrentage häufig in der Kirche.
Eine „Gegenwelt“ erwacht. Der Bürger wird zum Räuber und die Schöne zur Hexe. Gelegentlich wird sogar der Schürzenjäger zum Mönch. In den Büttenreden auf den Prunksitzungen sowie bei den großen und kleinen Narrenumzügen wird nicht selten die Politik verspottet, gesellschaftliche Institutionen werden „durch den Kakao gezogen“. Soziale Grenzen werden bewusst überschritten. Ein Freiraum entsteht, der die allgemeine Ordnung ein Stück weit vergessen lässt, doch bei genauerem Hinsehen dennoch nicht im völligen Chaos endet (zumindest sollte es so sein :-).
Damit flammt im Karneval eben jenes Bedürfnis auf, das viele von uns auch sonst über das Jahr haben: Immer wieder mal aus der gewohnten Ordnung auszubrechen, die Zwänge des Alltags hinter sich zu lassen und für sich persönlich einen Freiraum zurückzugewinnen, um Dinge zu tun, die einfach mal nur Spaß machen. Ich erlebe in meiner Arbeit immer wieder Menschen (und kann mich da selbst auch ganz nicht ausschließen!), die sich solche Freiräume oft nur mit einem schlechten Gewissen nehmen. „Ja, eigentlich hättest du in dieser Zeit schon …“, sagt der innere Schweinehund. Und dann folgen sie ihm gehorsam oder verlieren sofort die Freude an solcher Auszeit. Und das, was eigentlich zerstreuen und ablenken sollte, worin eigentlich Erfüllung zu finden ist, schlägt ins genaue Gegenteil um, weil es erneut zur Pflichterfüllung wird, denn … „Man soll sich ja auch mal ne Auszeit nehmen.“
Wie ist es mit dir? Kannst du gut mal eine Pause vom Alltag machen? Oder fällt es dir eher schwer, aus dem „Hamsterrad auszusteigen“? Und was brauchst du, damit es dir besser gelingt, um deine Rollen, die du täglich zu spielen hast, ab und zu mal zu verlassen?
Wenn man so will, folgt auch das Kirchenjahr diesem Rhythmus. Der Karneval durchbricht die allgemeine Ordnung, die strenge Fastenzeit setzt sie wieder ins Recht, und Ostern durchbricht sie erneut. Ja, die Auferweckung Jesu von den Toten, die wir an Ostern feiern, erhebt sich sogar über die Naturgesetze. Pflicht- und Freiraum kommen damit gleichermaßen zu ihrem Recht, so wie es uns Menschen, die wir mit allerlei Verpflichtungen zugekleistert sind, auch gut tut. Oder wie es im Rottweiler Narrenmarsch heißt: ’s gibt noch ’ne Freude im Leid, Kopf hoch! In diesem Sinne: Helau und Alaaf und ein kräftiges Prosit auf das Leben!