Der Deutsche Bundestag plant, den Etat für das Bundesinnenministerium um 2,2 Milliarden Euro zu kürzen. Davon betroffen sind auch das Technische Hilfswerk und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) – also die Feuerwehren. Kritik an diesen Plänen gibt es unter anderem von Gewerkschaften und Verbänden. Sie sehen – insbesondere mit Blick auf die aktuelle Lage – den Bevölkerungsschutz in Gefahr. Was hat das aber mit Northeim zu tun? Bundestagsabgeordnete Frauke Heiligenstadt, unter anderem Mitglied im Finanzausschuss und stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss, hält die Schwächung des Bevölkerungsschutzes als Interpretation der Zahlen für „ein Gerücht“. Ihrer Ansicht nach finden die Kürzungen an anderen Stellen statt. Mehr noch: „Wer (…) behauptet, dass sich die Bundes- und Landesregierung nicht um den Bevölkerungsschutz kümmern, der zieht die falschen Schlüsse und trägt zu einer Verunsicherung der Menschen in unserem Land bei.“ Mit dieser Aussage konfrontiert, zeigt sich Feuerwehrverbands-Chef Karl-Heinz Banse – einer der lautesten Kritiker des Haushaltsentwurfs – überrascht. Die Details:

Feuerwehren stellen Kürzungen infrage

Mit seinem Haushalt für das kommende Jahr will der Deutsche Bundestag dem Innenministerum das Budget kürzen. Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ist im Regierungsentwurf für das kommende Jahr im Vergleich zu 2022 ein Ausgabenrückgang um gut 112 Millionen Euro auf knapp 174 Millionen Euro vorgesehen. Die Ausgaben für die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk sollen 2023 um rund 158 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr auf gut 386 Millionen Euro sinken. Mit Blick auf jüngste Katastrophen im In- und Ausland laufen deshalb die zuständigen Verbände Sturm. Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) und die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) kritisieren diesen Entwurf scharf. „Wenn das Vorhaben umgesetzt werden sollte, kann der Staat wohl kaum noch seiner Verpflichtung nachkommen, die Bevölkerung zu schützen“, sagte vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner, „das wäre eine Katastrophe.“ DFV-Präsident Karl-Heinz Banse ergänzte: „Die Fähigkeit, bei Katastrophen und Krisen künftig besser aufgestellt zu sein als bisher, würde damit nicht verstärkt, sondern verringert.“

Frauke Heiigenstadt ist Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis 54, Mitglied im Finanzaussschuss und stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages.

Kritiker schlagen Alarm

Auch die Gewerkschaft Verdi kritisiert den Plan. „Wir fordern das Bundesinnenministerium auf, Einsparungen beim Katastrophenschutz zu unterlassen und stattdessen die Mittel für den Zivil- und Katastrophenschutz deutlich zu erhöhen“, erklärte der für den Bereich Feuerwehr zuständige Verdi-Sekretär Arno Dick gegenüber RP. Zuletzt hatten auch die Kollegen der HNA in einem Kommentar die Kürzungen angemahnt und festgestellt, dass hier „Leben auf dem Spiel stehen“. Für die im Wahlkreis Goslar, Northeim und Osterode zuständige Bundestagsabgeordnete, Frauke Heiligenstadt (SPD), Anlass zum Widerspruch. Sie ist darüber hinaus als Mitglied des Finanzausschusses und stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss für diesen Entwurf mitverantwortlich.

Heiligenstadt widerspricht, erklärt, rechtfertigt

Das durch diesen Haushalt der Katastrophen- und Bevölkerungsschutz verschlechtere, sei laut Heiligenstadt ein „Gerücht“ und eine „falsche Schlussfolgerung aus den im Haushaltsentwurf vorliegenden Zahlen“, erklärt die Sozialdemokratin. Es sei ihrer Ansicht nach zwar richtig, dass dem Bundesinnenministerium im kommenden Jahr weniger Geld für den Katastrophenschutz zur Verfügung stehen soll. Dabei handele es sich aber lediglich um das auslaufende Corona-Konjunkturpaket. Aus diesem Paket wurden laut Heiligenstadt bereits verschiedene Investitionen in den Katastrophenschutz vorgenommen worden. Aus ihrer Sicht gebe es demnach keine Verschlechterung des Bevölkerungsschutzes: „Die Personalausgaben des THW werden laut jetzigem Entwurf sogar um 17,7 Millionen Euro und die des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe um 10,2 Millionen Euro erhöht“, so die Bundestagsabgeordnete.

Kein Gerücht

Dass es sich bei der Schwächung des Schutzes in Deutschland um ein Gerücht handle, widerspricht Verbandschef Banse deutlich. „Dass wir in Deutschland den Zivilschutzbereich des Bundes und auch den Katastrophenschutz der Länder verbessern müssen, ist bestimmt kein Gerücht, sondern leider eine Tatsache“, sagt der 59-Jährige. „Wir stehen uneingeschränkt zu unserer Aufgabe, erwarten aber auch, dass uns die hierfür notwendigen Mittel für die Umsetzung verschiedenster Maßnahmen durch die staatlichen Stellen zur Verfügung gestellt werden.“ Bedarf sieht er insbesondere bei der Ausbildung der Führungskräfte, dem Aufbau von einsatzfähigen Stäben bis auf die Ebene des Bundes, bundesweit einsetzbare Hubschrauber oder den Aufbau eines flächendeckenden Warnsystems.

Karl-Heinz Banse ist Präseident des Deutschen Feuerwehrverband

Ein falsches Signal

Für Banse sei es nach wie vor nicht nachvollziehbar, dass die finanziellen Mittel auf das Niveau der Vorjahr gesenkt wird. „Die Häufigkeit und Heftigkeit der Naturkatstrophen nimmt aber nachweislich zu. Zudem: Wir allen wissen nicht, welche Folgen die Ereignisse in der Ukraine noch für uns haben werden.“ Daher müsse es aus sicht des Verbandes „das Gebot sein, mehr Mittel bereit zu stellen, um all diesen Herausforderungen sowohl präventiv als auch aktiv entgegentreten zu können.“

Was mit dem restlichen Geld passiert

Immerhin, so kontert Frauke Heiligenstadt, wurde im Juli 2022 das Programm zum Neustart im Bevölkerungsschutz durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser zusammen mit dem THW und dem BBK vorgestellt. Mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sollen beide Institutionen gestärkt werden, indem beispielsweise Warnsysteme installiert und vorhandene Strukturen ausgebaut werden sollen. Auch das Land Niedersachsen habe angekündigt, weitere 40 Millionen Euro in den Katastrophenschutz zu investieren. Für Feuerwehrverbands-Präsident Banse ein wahrlich ein lobenswertes Vorbild. „Hier wird und wurde nicht gespart“, betont Banse, „sondern die notwendigen Mittel werden jetzt und auch für die Zukunft bereitgestellt.“ Weiter: „Ich sehe das Land Niedersachsen hier sogar beispielgebend für den Bund.“

Heiligenstadt watscht Widerworte ab

Heiligenstadt beschwichtigt: „Die Sorge, dass die Bundesregierung im Haushalt 2023 die Mittel für das BBK und das THW willkürlich zusammenkürzt und sich damit die Versorgungslage für die Bürgerinnen und Bürger verschlechtert, ist also nicht zutreffend.“ Wer etwas anderes sagt, dem wirft sie allerdings Verunsicherung vor. Konkret sagt sie: „Wer also behauptet, dass sich die Bundes- und Landesregierung nicht um den Bevölkerungsschutz kümmern, der zieht die falschen Schlüsse und trägt zu einer Verunsicherung der Menschen in unserem Land bei.“ Diesen Vorwurf möchte Banse so nicht stehen lassen. „Der Deutsche Feuerwehrverband sieht sich nicht als Kritiker der Bundesregierung, sondern vielmehr als Sprachrohr der 1.300.000 Feuerwehreinsatzkräfte in ganz Deutschland. Wenn es geboten ist, das Wort zu ergreifen, dann ist das auch unsere vornehmste Aufgabe.“

Haushalt nicht final

Zugeständnisse macht Heiligenstadt den Kritikern am Ende trotzdem, denn die Haushaltsberatungen für 2023 seien noch nicht abgeschlossen „und die SPD-Bundestagsfraktion und ich werden uns gemeinsam mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser weiterhin für nachhaltige Verbesserungen im Bevölkerungsschutz einsetzen“, so Frauke Heiligenstadt.

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