Fünfhunderteinundachtzigtausend Euro. So viel kostet eine neue Brücke über die Rhume, von Damm zu Damm. Zu viel für Rat und Verwaltung. Statt die bisherige, alte Holzbrücke zu ersetzen, ist das marode Bauwerk seit Anfang Februar gesperrt. Zuvor gab es Streit im Rat, der dem Rathaus einen Sparzwang vor die Tür legte. Die Verwaltung machte daraufhin kurzen Prozess. Erst wollte sie die Erneuerung ganz streichen, jetzt sucht sie nach einem Weg, doch noch Geld aufzutreiben. Zur Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Klimaschutz und Mobilität am kommenden Dienstag will sie einen ersten Vorschlag machen. Und das steht drin.
Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?
Der Ausschuss am kommenden Dienstag ist der erste von insgesamt drei politischen Gremien, die erst empfehlen und dann entscheiden sollen. Am 20. März wird der Verwaltungsausschuss seine Meinung äußern, am 27. April dann der Rat eine endgültige Entscheidung treffen. Das hatte er auch in der ersten Februarwoche schon getan. Dort hatte die Stadtverwaltung nämlich vorgeschlagen, um die Kosten im Doppelhaushalt „wie von der Politik gefordert“, so Bürgermeister Simon Hartmann, den schon einmal verschobene Brückenaustausch gänzlich zu streichen. „Das haben wir wohl falsch kommuniziert“, sagte Hartmann im Anschluss bei einer Begehung. Zwischen den Zeilen stellte sich aber auch heraus: Die Stadt wollte eine klare Linie ziehen, den Rat in die Schranken weisen und Konsequenzen aufzeigen. Gelungen ist ihr das alles allerdings nicht. Im Gegenteil.
Stadt wollte Brücke ersatzlos abreißen
Denn nicht nur aus der Bevölkerung folgte ein riesiger Aufschrei, auch die Politik hielt von der Idee nichts. Sie wehrte den Antrag der Verwaltung ab und forderte sie gleichzeitig auf, nach einer neuen Lösung zu suchen, die Brücke entweder zu sanieren oder zu ersetzen. Dass das nun deutlich teurer wird, liegt auch daran, dass es nicht – wie ursprünglich geplant – schon längst erledigt wurde. Mittlerweile kostet das neue Bauwerk aus Aluminium zehn Prozent mehr also noch vor zwei Jahren. Geld, dass der Doppelhaushalt der Stadt nicht mehr hergibt. Auch, weil andere Projekte anstehen: Münsterplatz, Schuhwallhalle, Feuerwehrhäuser. Doch schon im Februar kritisierte die Politik das Rathaus dafür scharf. Es sei wohl kaum möglich, diesen Investitionsstau zeitlich mit einem Doppelhaushalt über zwei Jahren abzuarbeiten. Auch deshalb reagierte die Verwaltung offenbar so, wie sie es tat – und schmiss die Brücke aus dem Programm.
Stadtverwaltung habe „engagiert gearbeitet“
Mit dem neuen Auftrag hat Bürgermeister Simon Hartmann aber auch angekündigt, bis zur nächsten Sitzung im März eine Lösung vorzustellen. Diese wurde in Form einer Beschlussvorlage jetzt für die Ausschusssitzung vorbereitet und ins Ratsinformationssystem eingestellt. In den sozialen Medien freut sich Bürgermeister Simon Hartmann bereits darüber. „Ich bin sehr froh, dass die Stadtverwaltung sehr engagiert daran gearbeitet hat, einen Vorschlag zur Finanzierung vorzulegen“, schreibt der Verwaltungschef bei Facebook. „Mir und uns ist sehr bewusst, wie wichtig die Brücke für Northeim ist.“
Da soll neues Geld herkommen
Wo hat die Stadt Northeim nun Geld aufgetrieben? Zunächst hofft die Stadtverwaltung auf bisher nicht eingeplante Einnahmen. Beispiel: Der Verkauf des Campingplatzes könnte die runde Summe von 237.180 Euro einbringen. „Da der Verkauf nicht eingeplant ist, können diese „Mehreinzahlungen“ als Deckung herangezogen werden“, heißt es in der Vorlage. Auch steht derzeit ein städtisches Grundstück am Maistieg im Rahmen einer Versteigerung zum Verkauf. Startpreis: 93.610 Euro. Wird mehr geboten, kommt mehr in die Kasse. Der „Grundstücksverkauf (ist) derzeit in der Ausschreibung, sodass der Verkauf und die mögliche Höhe des Verkaufserlöses noch nicht feststehen“, heißt es in der Erklärung hierzu.
Viele große Löcher für eine neue Brücke
Wer bis hierhin mitgerechnet hat, wird merken: Das reicht nicht. Deshalb will die Stadt zusätzlich an bereits geplanten Projekten Geld abzwacken oder diese ganz einstampfen. Rund 8.500 Euro spart die Stadtkasse zum Beispiel ein, weil im Rahmen des Sofortprogramms „Perspektive Innenstadt“ keine neuen Spielgeräte angeschafft werden. „Rückerstattung der Fördermittel ist bereits einkalkuliert“, heißt es allerdings in der Begründung.
Westumgehung wird nur geflickt
Den größten Batzen will die Stadt aber von der Sanierung der Westlichen Entlastungsstraße abzwacken. Die A7-Sperrungen der vergangenen Monate und Jahre haben der städtischen Stadtumgehung ordentlich zugesetzt, tiefe Löcher bremsen den Verkehr. Genau 685.000 Euro sind zur Erneuerung der Fahrbahn im Haushalt eingeplant. Was bis hierhin noch zur neuen Rhumebrücke fehlt, soll von dieser Summe abgezogen werden. „Die verbleibenden Mittel können für die Fahrbahninstandsetzung verwendet werden“, heißt es in der Vorlage. Konkret: „Die ursprünglich für 2023 vorgesehene Deckensanierung im ersten Abschnitt der westlichen Entlastungsstraße wird in die Folgejahre verschoben.“ Stattdessen wird erstmal nur ausgebessert und geflickt.
Vertrauen in die Stadtverwaltung
Ob es dieser Vorschlag aber wirklich durch die Gremien schafft, ist zweifelhaft. Die FDP-Fraktion hatte bereits angekündigt, mit einer günstigeren Brücke zu planen als es die Verwaltung gerade tut. Und auch, wenn die SPD laut Sebastian Penno im Februar noch zuversichtlich war, „dass Bürgermeister und Verwaltung dem städtischen Ausschuss für Stadtentwicklung, Klimaschutz und Mobilität am 14. März 2023 eine gute Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt präsentieren werden“, dürfte über die Kürzungen an anderer Stelle Beratungsbedarf herrschen.
Keine neuen Ideen
Der CDU war es immerhin gelungen, den Abriss zu verhindern, betonte Malte Schober kurz nach der Schließung. Doch ähnlich wie die FDP sieht er die Lösung in einem alternativen und vor allem kostengünstigen Bauwerk. „Wir wünschen uns schnelle und gute Ideen mit verschiedenen Baustoffen als Diskussionsbasis für eine zeitnahe Entscheidung und Umsetzung aus der Verwaltung.“ Im Antrag für kommenden Montag findet sich allerdings weder das Eine, noch das Andere.
Reaktionen hierzu gibt es aus der Politik bisher nicht.
Neue Brücke laut Hartmann noch 2023, wenn…
Für eine schnelle Lösung, wie sie zum Beispiel die FDP fordert, spielt Bürgermeister Hartmann den Ball nun zurück und setzt den Rat unter Druck. „Wenn der städtische Haushalt für das Jahr 2023 Rechtskraft erlangt und wenn meine Finanzierungsvorschläge vom Rat mitgetragen werden, können die Aufträge für die Herstellung des Ersatzbaus in Aluminiumbauweise erteilt werden.“ Dazu muss aber auch der Rat im April positiv entscheiden. „Eine Wiedererrichtung noch in diesem Jahr ist nicht ausgeschlossen, wenn die vorgenanten Voraussetzungen nun schnell geschaffen werden“, so Hartmann via Facebook.
Thema bleibt brisant
Wie aufgeheizt das Thema bleibt, zeigt allerdings auch ein Nebensatz in der Beschlussvorlage der Stadt, der spätestens zur Sitzung im April noch einmal für lange Diskussionen sorgen wird. „Der Rat beschließt (…) und bestätigt damit die bereits von der Stadtverwaltung vorangetriebenen Planungen.“ Heißt übersetzt wohl soviel wie: Der Rat soll zugeben, dass die Stadtverwaltung auch vorher schon recht hatte. Den kompletten Vorschlag inklusive Aufschlüsselung der Kosten gibt es hier zu sehen.