Die Kreisverwaltung möchte zaubern. Der Kostendruck und ein statistisches Zahlenwerk zwingt sie dazu, zwei der vier Notarzt-Standorte im Landkreis Northeim bis 2027 zu streichen. Gleichzeitig betonen die Verantwortlichen, dass die notfallmedizinische Versorgung verbessert werden soll. Wie sie dieses Vorhaben umsetzen wollen, wurde nun in einem Pressegespräch erläutert. Letztlich liegt die Entscheidung jedoch bei der Politik.
In Northeim, Einbeck, Uslar und Bad Gandersheim stehen Ärztinnen und Ärzte rund um die Uhr bereit, um im Notfall alarmiert zu werden. Sobald die zentrale Leitstelle in Northeim einen Einsatz meldet, eilen sie mit Blaulicht und Martinshorn zum Notfallort. Der Rettungswagen ist dabei meist bereits vor Ort. Genau hier setzt die Argumentation der Kostenträger, insbesondere der Krankenversicherungen, und damit auch des Landkreises an: Statistisch gesehen nehmen die Einsatzzahlen der Notärzte ab. Zudem sind die Rettungswagen-Besatzungen inzwischen so gut ausgebildet, dass sie eigenständig Medikamente verabreichen und erste medizinische Maßnahmen durchführen können.
„Für den Patienten ist es oft wertvoller, wenn die Notfallsanitäter sofort handeln, anstatt auf den Notarzt zu warten“, erklärt Sören Heitmann, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Northeim. Er koordiniert ein Team aus rund 15 Notärzten, die in 24-Stunden-Schichten an den vier Standorten arbeiten. In vielen Fällen sei der Notfallsanitäter vor Ort wichtiger als ein zusätzlich alarmierter Arzt. Dennoch räumt Heitmann ein, dass es weiterhin Situationen gibt, in denen ein Notarzt unverzichtbar bleibt.
Die Sparmaßnahmen begannen schrittweise: Zunächst war geplant, nur eine halbe Notarztstelle einzusparen. Nun jedoch soll die Zahl der Standorte von vier auf zwei reduziert werden. „Ausschlaggebend sind die aktuellen Einsatzzahlen“, erklärt Landrätin Astrid Klinkert-Kittel. Die Zahl der Notarzt-Einsätze sei von 5.360 im Jahr 2019 auf 4.177 im Jahr 2024 gesunken. Laut Heitmann hätten viele dieser Einsätze auch ohne Notarzt bewältigt werden können. Ein zentrales Problem seien die sogenannten Bagatelleinsätze, bei denen die 112 gewählt wird, obwohl ein Hausarztbesuch am nächsten Tag ausreichen würde.
Konkret bedeutet dies, dass ab dem 1. Mai 2025 in Bad Gandersheim kein Notarzt mehr stationiert sein wird. Laut Klinkert-Kittel hat der benachbarte Landkreis Goslar keine Einwände gegen diese Maßnahme. Bisher rückte der Notarzt aus Northeim bei Bedarf auch nach Goslar aus. Die enge Zusammenarbeit zeigt sich auch am Pilotprojekt zum Tele-Notarzt: Hierbei wird ein Arzt per Video-Telefonie zugeschaltet, um die Rettungskräfte vor Ort zu unterstützen. „Oft reicht das aus“, betont Heitmann, wenngleich ein Tele-Notarzt den physischen Einsatz eines Arztes nicht vollständig ersetzen kann.
Bis 2027 soll ein weiterer Standort geschlossen werden. Welcher das sein wird, ist noch unklar. Die verbleibenden beiden Notarzt-Standorte müssten dann neu bewertet werden, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob von dort aus der gesamte Landkreis innerhalb der vorgeschriebenen Fristen erreicht werden kann. Während der Rettungsdienst innerhalb von 15 Minuten vor Ort sein muss, dauert es für einen Notarzt aus Northeim oder Einbeck aktuell mindestens 30 bis 40 Minuten, um beispielsweise nach Uslar zu gelangen – selbst mit Blaulicht. Die Anzahl der Rettungswagen-Standorte bleibt hingegen unverändert. Die Idee, Notfallsanitäter stärker in die Verantwortung zu nehmen, kam im Übrigen aus den Reihen der Rettungskräfte selbst.
Ob die geplanten Streichungen wie vorgesehen umgesetzt werden, liegt letztendlich bei der Politik. Die Kreisverwaltung hat ihren Vorschlag vorgelegt. Am 25. März wird sich zunächst der Ausschuss für Brand- und Katastrophenschutz mit dem Thema befassen und eine Empfehlung für die Kreistagssitzung am 4. April abgeben.