Die Hilfsbereitschaft im Landkreis Northeim ist groß, seitdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist und Millionen Menschen in Richtung Westen flüchten. Auch in Northeim kommen seit Wochen Flüchtenden an, suchen und finden ein neues Zuhause. Doch wie schon während der Pandemie verlässt sich die Kreisverwaltung weitestgehend auf das Engagement freiwilliger Helfer und auf privates Engagement. Flüchtende warten nach ihrer Registrierung teils wochenlang auf Antwort. Als einer der ersten fordert der Landespolitiker Christian Grascha deshalb mehr Unterstützung aus Hannover – vor allem aber klare Entscheidungen im Kreishaus. Ein Blick auf die aktuelle Lage zeigt, wie komplex diese Aufgabe allerdings ist – und wie dankbar wir sein können, dass es so viel Ehrenamt in der Region gibt.

Christian Grascha besuchte am Osterwochenende die Unterkunft für Flüchtende in der Sporthalle der Berufsbildenden Schulen Northeim. Was der Landtagsabgeordnete der FDP dort gesehen hat, scheint ihm gefallen zu haben. Doch sein Dank geht zuerst an „die Kreisfeuerwehr Northeim, das Technischen Hilfswerk in Northeim und Einbeck und an den Arbeiter Samariter Bund für die kurzfristige Herrichtung und die Betreuung vor Ort.“ Allesamt sind das Hilfsorganisationen mit ehrenamtlich freiwilligen Helfern. Seit dem 11. April ist es auch der Arbeiter-Samariter-Bund im Kreisverband Osterode/Northeim, der die Unterkunft im Auftrag des Landkreises betreibt. „Hierzu wurde ein Vertrag mit einer Mindestlaufzeit bis zum 31.07.2022 geschlossen“, erklärt eine Kreissprecherin.

Landespolitiker Christian Grascha (2.v.l.) lässt sich am Osterwochenende die Unterkunft in der BBS-Sporthalle in Northeim zeigen. Begleitet wird er dabei von Jörg Richert, Erster Kreisrat (l.) und Kreisbrandmeister Marko de Klein (2.v.r.).

Zweimal täglich wird in der BBS-Halle durchgezählt. „Die Personenzahlen innerhalb der Unterkunft schwanken über den Tag verteilt stark“, erklärt eine Kreissprecherin. Grund: Es werde fortwährend versucht, geflüchtete Personen in geeigneten Wohnungen unterzubringen. Zudem kommen auch kurzfristig neue Flüchtende hinzu. Morgens um 8 Uhr und am Abend gegen 17 Uhr werden die Personen erfasst, „da zu diesen Zeitpunkten die genausten Zahlen werden können“. Im Schnitt stehen dann 80 bis 85 Namen gleichzeitig auf der Liste.

Alles im Ehrenamt

Schon beim Aufbau des Impfzentrums griff der Landkreis auf das Ehrenamt zurück, damals das Technische Hilfswerk. Die Männer und Frauen in Blau sind es auch, die nun im Auftrag des Landkreises privat angebotenen Wohnraum für Flüchtende auf ihre Eignung prüfen. Nun half die Kreisfeuerwehr beim Auf- und Umbau der Halle. Alles im Ehrenamt. Auch deshalb wurde Christian Grascha begleitet von Kreisbrandmeister Marko de Klein und dem Ersten Kreisrat Jörg Richert, für den der FDP-Landtagsabgeordete erst als Zweites den Dank für die „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung“ mitnehmen durfte, „die trotz der kurzfristigen Belastung, die Krise gut und professionell gemanagt haben“.

Warten auf die Behörde

Doch während das Ehrenamt in kurzer Zeit ganze Infrastrukturen auf die Beine stellt und Privatpersonen ihren Wohnraum zur Verfügung stellen, stapeln sich die Anträge und Genehmigungen auf den wenigen Schreibtischen im Kreishaus. Bis zu zwei Wochen und länger warten Flüchtende auf ihre Registrierung, viele sind bis dahin gar nicht mehr im Landkreis Northeim, sondern zogen weiter. Parallel werde „durch den Landkreis Northeim (…) versucht, schnellstmöglich Wohnraum zur Verfügung zu stellen, um den Aufenthalt in der Unterkunft so kurz wie möglich zu halten“, bekräftigt die Kreissprecherin. „In wenigen Fällen, hierbei handelte es sich um große Familienverbände,  ist es vorgekommen, dass ein Aufenthalt von bis zu sieben Tage nötig wurde.“ Die Erfahrung zeige, dass Menschen nicht länger als vier Tage in der Unterkunft bleiben.

Ehrenamtliche unter anderem der Kreisfeuerwehr verwandeln die Sporthalle fast über Nacht in eine Erstaufnahmestation für Flüchtende.

Mehr Wohnraum

Seit Mitte März wurden für die Unterbringung durch den Landkreis 28 Mietverträge geschlossen. Aber erst 13 Wohnungen sind aktuell bezugsfähig, 15 weitere Mietwohnungen werden aktuell noch möbliert und hergerichtet. 30 weiteren Objekten wurden vom THW begutachtet, der Kreis stehe „kurz davor“, auch hier Mietverträge abzuschließen. Auf eigene Objekte, wie zum Beispiel Sporthalle, will die Kreisverwaltung allerdings nicht zurückgreifen. „Aktuell ist von Seiten des Landkreises Northeim nicht geplant, weitere kreiseigene Liegenschaften als Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung geflüchteter Menschen umzunutzen“, so die Aussage aus dem Kreishaus.

Mehr Unterstützung

Grascha sieht in seiner eigenen Kompetenz auch das Land Niedersachsen in der Pflicht, um die Kommunen stärker zu unterstützen. Oftmals müssen die Kreise vor Ort wie die wortwörtliche Feuerwehr agieren und werden kurzfristig mit Flüchtenden konfrontiert, die sie nicht erwartet haben. Vor Ostern kamen im Schnitt rund 43 Flüchtende täglich in Northeim an. „Um die gesundheitliche Versorgung sicher zu stellen, ist es zum Beispiel notwendig, wichtige Informationen in ukrainischer Sprache anzubieten. Hier ist das Land in der Pflicht, den Kommunen zu helfen“, sagt Grascha.

Beim Aufbau des Impfzentrums setzte der Landkreis um Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (mitte) ebenfalls auf die Unterstützung ehrenamtlicher Kräfte in Form des THW.

Kreis zieht Fachbereiche zusammen

Vor allem aber sieht er die Kreisverwaltung und Landrätin Astrid Klinkert-Kittel in der Pflicht. „Wir dürfen die vorhandenen Mitarbeiter nicht im Stich lassen“, so Grascha. Im Kreishaus selbst müssten deshalb umgehend Stellen geschaffen oder unterstützt werden. Aktuell werden Kräfte aus verschiedenen Abteilungen zusammengezogen. Verstärkt werden mussten dazu die Fachbereiche 23 –Migration und Integration sowie der Fachbereich 43 – Facility-Management. Dort werden aktuell „geeignete Fachkräfte aus unterschiedlichen Bereichen der Kreisverwaltung zusätzlich eingesetzt“, heißt es aus dem Kreishaus.

Das Kreishaus in Northeim
Das Kreishaus in Northeim ist sitz der Kreisverwaltung des Landkreises Northeim

Im Fachbereich 23 „Migration und Integration“ beschäftigen sich auf Nachfrage aktuell mehr als 60 Personen mit dem Thema. 36 Personen davon wurden aus anderen Abteilungen abbestellt. Der Fachbereich 43 „Facility-Management“ beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Anmieten neuer Unterkünfte für die geflüchteten Menschen. Diesen Aufgabenbereich nehmen aktuell rund 14 Personen wahr, sieben davon kommen aus anderen Abteilungen.

Kreis soll neue Stellen schaffen

Trotzdem warten viele Flüchtende teils wochenlang auf die Bestätigung ihre Registrierung. Dieser Bearbeitungsstau müsse laut Grascha bekämpft werden, damit „die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung von hauptamtlicher Seite auch bearbeitet“ werden können, macht Grascha klar. „Die Landrätin ist deshalb gefordert, die entsprechenden Stellen in der Kreisverwaltung zu stärken, damit zum Beispiel weiterhin genügend Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung steht. Wir dürfen die vorhandenen Mitarbeiter nicht im Stich lassen“, sagt der FDP-Abgeordnete Grascha. Ein Statement der Landrätin dazu wurde vom Kreishaus für kommende Woche angekündigt.

Fotos U.a:
– Kreisfeuerwehr Northeim, Konstantin Mennecke
– Büro Christian Grascha.

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