Es ist still an diesem Vormittag im Teekontor. Still im Sinne von: kein hektisches Klingeln, kein hastiges Fragen. Nur das leise Schieben einer Dose über das Holz, ein kurzer prüfender Blick auf das Etikett. Maria Eibl bleibt einen Moment stehen und atmet ein. Der Duft von Assam und grünem Tee liegt wie immer in der Luft. Seit 33 Jahren. Bald wird dieser Moment nicht mehr ihr Alltag sein.

Dass an diesem Tag ein Mikrofon mitläuft, ist kein Zufall. Das Interview ist im Rahmen eines Unternehmensbesuchs der Northeimer WMT zustande gekommen, gemeinsam mit Innenstadt-Wirtschaftsförderin Sophie Pyrkotsch. Es ist ein Besuch, bei dem wir zuhören, nachfragen und eine Geschichte sichtbar machen, die beispielhaft ist für Northeim und doch sehr persönlich bleibt.

Ein Laden, der Zeit sammelt

Das Teekontor in der Northeimer Innenstadt ist kein Ort, den man „mal eben“ betritt. Wer hereinkommt, bleibt. Wegen des Duftes, wegen des warmen Lichts und oft auch wegen der Gespräche. Maria Eibl kennt sie alle: die Stammkundin, die immer denselben Früchtetee kauft, den älteren Herrn, der eigentlich nur reden will, die Jüngeren, die vorsichtig fragen, was denn vielleicht nicht so bitter ist.

33 Jahre hat Maria Eibl diesen Laden geführt, aufgebaut und durch schwierige Zeiten getragen. Als sie ihn eröffnete, war die Skepsis groß. Ein Teegeschäft in Northeim? Das müsse sich erst beweisen. Es hat sich bewiesen durch Beharrlichkeit, Nähe und das stille Vertrauen, das zwischen Verkäuferin und Kundschaft wächst. Und durch eine ganz eigene Leidenschaft für das, was im Regal und davor steht.

Zwei Jahre Nachdenken

Der Abschied kam nicht plötzlich. Zwei Jahre lang hat Maria Eibl darüber nachgedacht, wie es weitergehen könnte. Ob es überhaupt weitergehen kann. Die Frage nach der Nachfolge ist für viele inhabergeführte Geschäfte existenziell, gerade in kleineren Städten wie Northeim. Immer mehr Läden schließen, weil niemand da ist, der übernehmen will. Eibl hatte einen Plan B: noch ein paar Jahre kürzertreten, dann Ausverkauf, dann Schluss. Dass es anders kam, hat auch mit Geduld zu tun. Und mit Maik Mokrus.

„Tür auf und man fühlt sich wohl“

Mokrus ist keiner, der von klein auf davon träumte, ein Teekontor zu übernehmen. Der 28-Jährige kommt aus einer anderen Branche, aus einer anderen Arbeitswelt. Als er die Anzeige im IHK-Portal „nexxt-change“ für Firmennachfolgen sah, suchte er vor allem Veränderung. Etwas Neues. Etwas, das Sinn ergibt.

Der erste Besuch blieb hängen. „Tür auf und man fühlt sich wohl“, beschreibt er es. Der Geruch, das Licht, die Ruhe. Kein großes Konzept, kein Businessplan-Moment. Eher ein Bauchgefühl. Kann das wirklich funktionieren? Elf Interessenten meldeten sich insgesamt. Drei standen tatsächlich im Laden. Am Ende blieb Mokrus. Nicht, weil er alles wusste, sondern weil er zuhören wollte. Weil er den Laden mochte, wie er ist. Und weil er eine Idee hat, wie es weitergeht. Ein entscheidender Punkt für Eibl.

Lernen im Tun

Heute stehen beide oft nebeneinander hinter dem Tresen. Mokrus zählt Sorten, lernt Namen, Unterschiede und Vorlieben. Rund 200 Teesorten, ein kleines Universum. Ohne Eibls Hilfe, sagt er offen, wäre es ein Sprung ins kalte Wasser gewesen. „Absolut keine Chance“.

Sie lässt ihn machen, greift ein, wenn es nötig ist, und hält sich zurück, wenn nicht. Das Loslassen fällt ihr leichter, als sie selbst dachte. Vielleicht, weil sie weiß: Der Laden bleibt. Der Name bleibt. Sogar die Telefonnummer bleibt.

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Mehr als Verkauf

Was das Teekontor ausmacht, ist nicht nur das Produkt. Es ist der Raum. Ein Ort, an dem Menschen ankommen. Manchmal nur für fünf Minuten, manchmal länger. „Man muss ein offenes Ohr haben“, sagt Eibl. Nicht nur Smalltalk, manchmal auch mehr. Gerade für ältere Menschen war der Laden oft ein sozialer Anker.

In einer Zeit, in der vieles digital, schnell und anonym wird, ist das ein Wert, der nicht in Zahlen messbar ist, wirtschaftlich aber dennoch zählt. Mokrus denkt bereits darüber nach, wie sich Tradition und Neues verbinden lassen. Social Media, Aktionen, vielleicht Verkostungen. Vorsichtig, ohne den Kern zu verlieren.

Abschied auf Raten

Zum Jahreswechsel wird der formale Übergang vollzogen. Eibl bleibt noch ein Vierteljahr an seiner Seite. Danach zieht sie sich Schritt für Schritt zurück. Mehr Zeit für Familie, für Enkelkinder in Berlin. Ein neues Kapitel ohne Bruch. „Das ist doch Ihr Baby“, sagen manche Kunden. Ja, war es. Aber Babys wachsen. Und manchmal ist es Zeit, sie gehen zu lassen.

Ein Ausblick

Das Teekontor steht sinnbildlich für viele kleine Läden in der Region: bedroht, wertvoll, abhängig von Menschen, die Verantwortung übernehmen. Dass es hier weitergeht, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist das Ergebnis von Vertrauen, Mut und der Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen. Begleitet wird dieser Neustart auch weiterhin von der WMT, die den Übergang unterstützt und sich dafür einsetzt, dass solche Orte erhalten bleiben. Orte, die mehr sind als Verkaufsflächen. Orte, die das Herz der Innenstadt bilden. Der Duft von Tee wird bleiben. Und mit ihm die Geschichten, die hier erzählt werden. Von denen, die gehen, und von denen, die übernehmen.

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