Ein Lastwagen mit Hilfsgütern für ein Krankenhaus in der Ukraine ist heute Morgen in Northeim gestartet. Mit dabei haben die Helfer auch einen Stromgenerator. Erstmals fährt ein Transport aus Northeim direkt ins Krisengebiet.

Ein dunkler Donnerstagmorgen in Northeim

Um vier Uhr morgens liegt die Dunkelheit noch wie ein weiches Federbett über Northeim. Nur wenige trotzen ihm an diesen Morgen, ein paar Autos mit Bäckergesellen, Zeitungsausträgern und Fernfahrer machen sich auf den Weg. Doch ausgerechnet an diesem Donnerstag ist etwas mehr Bewegung, denn auch der Bürgermeister, ein Reporter und zwei Northeimer Ehrenleute sind schon auf den Beinen. Pünktlich um 4:35 Uhr starten die beiden Letztgenannten mit einem Lastwagen über die Göttinger Straße in Richtung Osten. Das Ziel: Die Ukraine. Mit an Board: Hilfsgüter und ein Stromgenerator für ein Krankenhaus in Nadwirna im ukrainischen Südwesten.

Vor dem Verladen kontrollieren Michael Wolf (links) und Steffen Köhler noch einmal den Anfang der Woche angelieferten Stromgenerator

Erste Reise in die Ukraine

Noch steht der Fahrschullastwagen von Ernst Kasten still und dunkel vor dem Haus von Michael Wolf. Beiden steht eine tausende Kilometer lange Fahrt bevor, begleitet von Sascha Hinz als dritter Fahrer. Am Vortag hatten sie bereits die Hilfsgüter und das tonnenschwere Stromaggregat aufgeladen. Jetzt folgt das Nötigste: Brötchen, Aufschnitt, Bücher und eine Reisetoilette. „Ein Stuhl für den Stuhl“, scherzt Hinz. Anders als die Hilfsreisen zuvor endet diese nicht in Polen, sondern erst in der Ukraine selbst. Jenes Land, in dem Krieg herrscht. Auch deshalb ist die Reise aufwändiger geplant. Für die Sicherheit, aber auch das Wohlbefinden. „An der Grenze rechnen wir mit sechs und mehr Stunden Wartezeit“, sagt Michael Wolf. Deshalb der Stuhl „für den Stuhl.“

Michael Wolf (rechts) übernimmt den ersten Teil der Fahrt. Steffen Köhler steigt ab Polen hinzu. Er hatte zusammen mit der KWS den Stromgenerator organisiert und am Gut Wiebrechtshausen zwischengelagert.

Hilfe für ein Krankenhaus in Nadwirna

In Nörten-Hardenberg steigt Ernst Kasten hinzu, der erneut seinen Lastwagen zur Verfügung stellt. In Prudnik, Northeims Partnerstadt in Polen, wird Steffen Köhler der vierte Mann. Als Mitarbeiter der KWS-Gruppe in Einbeck hat er die Spende für den Stromerzeuger organisiert. Fünfzig Kilowattstunden kann der leisten und soll das Zentralkrankenhaus in Nadwirda bei Stromausfällen in Betrieb halten. Es ist nicht der erste Generator, den er für die Ukraine gemeinsam mit der KWS organisiert. Sehr wohl aber der erste, den er selbst dorthin bringt, wo er tatsächlich gebraucht wird. „Das ist schon ein beeindruckendes Engagement, welches wir gerne unterstützen“, sagt eine Unternehmenssprecherin der KWS auf Nachfrage Anfang der Woche.

Ladungskontrolle am Donnerstagmorgen. Sascha Hinze ist einer von drei Fahrern. Mit an Board haben sie medizinische Hilfsgüter und einen Stromgenerator für ein Krankenhaus im Südwesten der Ukraine

Reise seit Monaten vorbereitet

In Northeim steigt derweil die Aufregung. Um 4:15 Uhr ist der Lastwagen auch mit den persönlichen Utensilien gepackt. Bürgermeister Simon Hartmann ist ebenfalls dabei, wünscht den Northeimer Fahrern viel Glück und betont noch einmal, dass das, was sie tun, alles andere als selbstverständlich ist. Gleiches gilt für die Vorarbeit im Rathaus. Seit Januar sitzt eine Netzwerkgruppe dort zusammen und organisiert die Fahrt. Schwerpunkt diesmal: Sicherheit. Mit dem Konsulat wurde telefoniert, mit den Bürgermeistern der Partnerstädte, mit Hilfsorganisationen. „In diesen Moment zeigt sich, wie wichtig, nützlich und richtig diese Städtepartnerschaften sind“, sagt Hartmann.

Gute Laune und gute Worte vor der Abfahrt. Bürgermeister Simon Hartmann (Mitte) hat mit seinem Team die Reise seit Monaten vorbereitet und ist persönlich bei der Abfahrt dabei.

„Wir können nicht anders, wir müssen helfen“

Während gepackt wird und gesprochen, gezeigt wird und kontrolliert, steht die Ehefrau von Michael Wolf vor der Haustür. An diesem Morgen werden Tränen fließen, es wird gewunken und umarmt. „Es ist doch etwas anderes als nach Polen“, sagt sie. „Seit einer Woche wird es auch in der Familie etwas leiser“, ergänzt Michael Wolf. Zwischen Ehre und Ehrfurcht liegen oft nur ein paar Buchstaben. Und Worte wie Stolz, Angst und Anspannung. Aber auch Hoffnung. Zu wissen, etwas tun zu können in einer Situation, die von so vielen Menschen untätiges Zusehen abverlangt, scheint derzeit eines der größten Hoffnungsgeber zu sein. Etwas Gutes zu tun, zu handeln. Anzupacken. Wolf und Hinz, beide Feuerwehrmänner in Northeim, „können nicht anders“, sagen sie.

Letztes Briefing vor dem Start: Laut Michael Wolf (Mitte) soll am Donnerstag Prudnik erreicht werden, anschließend geht es weiter in die Ukraine. Am Montag wollen alle wieder in Northeim sein.

„Alles Gute euch, Jungs!“

Um 4:35 Uhr fließen dann die angekündigten Tränen, es wird umarmt und geküsst, Hände werden geschüttelt und leichte Worte ausgesprochen. „Toi, Toi Toi und alles Gute euch, Jungs“, gibt den Reisenden Bürgermeister Hartmann mit auf den Weg. „Ich passe auf deinen Mann auf, hab ich doch versprochen“, wird dagelassen. Ehrfurcht und Stolz begleiten die Northeimer durch die erste Dunkelheit. Prudnik wollen sie noch am Donnerstagabend erreichen, dort wird eine Nacht gerastet. Steffen Köhler wird zusteigen, nachdem er heute aus Berlin dort anreist. Am Freitagmorgen werden außerdem Helfer aus Prudnik selbst die Reise bis nach Nadwirna begleiten und unterstützen. „Eine tolle Hilfe“, sagt Bürgermeister Hartmann. Am Montag wollen alle vier dann wieder zurück sein. Der Anblick des Sixti-Turms wird ihnen den Heimathafen zeigen.

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