Morgens um vier Uhr ist der erste Kaffee durchgelaufen und der 360-PS-Diesel dröhnt zum ersten Mal. Der Winterdienst in Northeim startet in diesen Tagen früh und macht spät Feierabend. Rund 40 Mitarbeiter besetzen große Maschinen und greifen zu Besen, Schaufel und Streusalz. Sie bestreiten einen Kampf, der in einer Stunden gewonnen und nach 30 Minuten wieder verloren ist – denn seit Tagen schneit es ohne Pause. Wie man die Kollegen jetzt bei guter Laune hält, weiß Hans-Jochen Bönisch ganz genau. Er ist Leiter der Technischen Dienste in Northeim. Und heute ist Winterdienst.

Vorbereitung ist alles

Seit Freitag sind die Maschinen startklar und die Lager gefüllt. „Wir wussten ja, das etwas kommt. Aber nicht in welcher Art und Weise. Das konnte auch kein Meteorologe voraussagen“, sagt Hans-Jochen Bönisch. Er ist Chef der Technischen Dienste der Stadt Northeim. Der Winterdienst ist nur ein Teil der Arbeiten dieser Abteilung, aber garantiert der aufregendste. „Es ist körperlich das anstrengendste. Es ist nicht nur die Arbeit an sich, sondern auch die Anspannung und das frühe Aufstehen“, so Bönisch. Denn die Mitarbeitenden müssen sofort hoch konzentriert arbeiten, wenn sie die bis zu dreieinhalb Meter breiten Maschinen durch die Straßen führen.

Bei einer solch extremen Wetterlage wie jetzt wird es noch mal deutlicher. „Wir holen die Leute zum Teil morgens um 5 Uhr hierher am Sonntag.“ Nur, um am Nachmittag dieselbe Stelle wieder zu bearbeiten. „Das ist auch eine Frage der Moral. Das ist eine echte Herausforderung.“ Während die einen in den großen Maschinen Strecke machen, sind andere Kollegen zu Fuß auf Tour, machen Gehwege frei und arbeiten sich kleinteilig weiter – da hilft nur warme Kleidung und heißer Kaffee. „Die Kaffeemaschine ist die wichtigste neben LKW und Schneepflug.“

Doch nach der kurzen Pause geht es gleich weiter, Stunde um Stunde, Schneeflocke um Schneeflocke. “Die Kollegen sind dann schon echt froh, wenn sie wieder einen Abschnitt geschafft haben“, sagt Bönisch. Dass dann trotzdem pausenlos das Telefon klingelt und sich Anwohner beschweren, prallt mittlerweile ab. „Für das, was im Internet passiert, haben wir gar keine Zeit. Da beschäftige ich mich nicht mit. Den einen oder anderen Anrufer erklären wir die Situation am Telefon und viele sind dann einsichtig. Und gegen die ewigen Nörgler können wir auch nichts tun.“

Mitarbeiter Tim Michaelis ist seit 5 Uhr im Einsatz. Gemeinsam mit den Kollegen werden die Straßen und Wege von Schnee und Eis befreit.

Liste und Priorität

Die Technischen Dienste befreien Hauptstraßen und die eigenen Grundstücke der Stadt von Schnee und Eis. Ganz oben auf der Liste stehen zum Beispiel die Einfahrtsstraßen und die Straßen zum Krankenhaus, aber auch eine Schneise in der Innenstadt werden direkt als erstes erledigt – und sind als Erstes wieder zugeschneit. „Klar ist es dann eine Entlastung, wenn die Schule ausfällt oder die Busse nicht fahren. Wenn die steckenbleiben, können wir auch nicht alles retten“, sagt Bönisch. Im Falle des Unterrichtsausfalls ist morgens weniger Verkehr, „das entlastet schon ein wenig. Dann haben wir ein wenig mehr Ruhe bei der Arbeit.“

Denn wenn der Schneepflug selbst im Berufsverkehr feststeckt, kommt niemand mehr weiter. Aber auch auf freien Strecken kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen. Trotz der Lage setzen viele Autofahrer zum Überholen an, hupen oder drängeln. Nicht alle Mitarbeitenden reißen sich deshalb am Morgen um den warmen Platz im 360-PS-Lastwagen. „Das ist ja auch eine Verantwortung, die man da trägt. Für die eigene Gesundheit und auch die anderen Verkehrsteilnehmer“, erzählt Bönisch. Vor allem die erfahrenen Fahrer kommen mit diesen Situationen besser klar.

Alte Hasen und junge Kröten

„Viele machen das ja schon seit 20, 30 Jahren“. Vor allem für die „alten Hasen“ ist dieses Wetter und dieser Winter nichts Besonderes. „Wir waren jetzt einfach zehn Jahre verwöhnt“, vermutet Bönisch. So lange ist der letzte Schnee und kalte Winter her. „Vor allem die jüngeren Autofahrer kennen das ja gar nicht.“ Doch wie kommen eigentlich die Mitarbeiter der Teschnischen Dienste zur Arbeit? Zu Uhrzeiten, wenn noch niemand die Straßen geräumt hat? „Natürlich mit dem Auto“, sagt Bönisch und lacht. „Wenn der frische Schnee noch nicht festgefahren, matschig und glatt ist, lässt sich da noch ganz gut fahren. Viele Kollegen kommen ja teilweise 25 Kilometer angereist.“

Doch erst mit dem Wechsel in den LKW, Unimog oder Traktor geht der „Spaß“ richtig los. „Der Lastwagen ist unser neuestes Fahrzeug, damit räumen wir die Hauptstraßen. Unimog und Traktor kommen gut in die kleineren Straßen und Wohngebiete.“ Alle sind mit Salz und teilweise sogar Salzlauge beladen. „Mit der Lauge sorgen wir dafür, dass das Salz auch an Ort und Stelle bleibt und nicht wegspringt oder -weht“, erklärt Bönisch. Doch bei so viel Schneefall und Minusgraden hilft das auch nur für den Moment. Nach wenigen Stunden sind alle Straßen wieder zugeschneit.  Aber das allein ist nicht die größte Herausforderung für den Winterdienst, morgens um halb fünf bei Eiseskälte.

Am Sonntag waren die Winterdienste bis 20 Uhr im Einsatz, wie hier am Sultmer. Vor dem Wochenstart grüßten dann spielende Kinder und Spaziergänger zu. Ab Montag hupten die Autofahrer.

Der schöne Winterdienst

„Da braucht es Kraft, Ausdauer und gute Laune. Eigentlich freuen sich alle auch so ein bisschen auf den Winterdienst, aber wenn dann ein gewisser Punkt erreicht ist, dann freuen sie sich erst, wenn wieder Asphalt zu sehen ist. Wenn man sieht, etwas geschafft zu haben.“ Jeden Tag aufs Neue die schwierige Lage in Ruhe und ordentlich abzuarbeiten, immer und immer wieder, ohne sich von „nervösen Anrufern“, wie Bönisch es nennt, ablenken zu lassen. „Die Jungs kennen ihre Touren, die Pläne sind fertig. Und im Sommer erinnern wir uns gerne daran zurück.“

An Zehn-Stunden-Einsätze, Minustemperaturen und pöbelnde Autofahrer. Aber auch an geräumte Straßen, die getane Arbeit und Dankesbriefe. „Auch die bekommen wir regelmäßig. Das bedeutet uns sehr viel“, sagt Bönisch. Einer davon hängt sogar im Aufenthaltsraum, ein weiterer im Gang zu den Büros. Immer wieder kommen Fahrer rein, wärmen sich auf – die FFP2-Maske voller Eis. Aber das Lächeln ist echt. Gleich geht es wieder raus in die Kälte, bis spät am Abend die Straßen frei sind. In der Nacht schneit und friert es dann wieder zu. Aber der Winterdienst ist wieder da – pünktlich um 4 Uhr morgens.

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