Vier Jahre hat die Bauzeit am Northeimer Bahnhof gedauert. Jetzt sind Unterführung und der Anschluss zum Sollingtor-Kreisel wieder freigegeben. Das freut nicht nur Northeimer Autofahrer. Auch die Unternehmen in unmittelbarer Nähe atmen auf.

Umständlich

Denn erneuert wurde nicht nur die Bahnunterführung ab Bahnhof, sondern auch die angrenzenden Straßen Richtung Innenstadt und in Richtung Sollingtor. Direkt am Bahnhof waren die meisten Unternehmer betroffen. Zeitweise war für die Kunden eine Anfahrt nur umständlich über Hinterhöfe möglich. Die Unternehmer am Block um K&K, Rockfit und Co. hatten sich deshalb zusammengetan und eine kreative Wegbeschreibung kreiert. Joachim Vaupel ist Chef des Modegeschäfts K&K, auch gehört ihm der Großteil des betroffenen Areals. Entsprechend groß ist bei ihm die Erleichterung nun zu spüren, wie er im Gespräch mit Northeim jetzt verrät.

„Wir hatten gut 1.000 Kunden weniger pro Jahr“, sagt Vaupel. Dennoch habe man in der Zeit kein Minus gemacht, da zeitgleich das Unternehmen auf neue Füße gestellt wurde. „Damit haben wir trotzdem tolle Umsätze gemacht, aber wir glauben, dass ohne die Baustelle deutlich mehr Kunden zu uns gekommen wären“, so Vaupel. Vor allem Stammkunden hätten dem Unternehmen die Treue gehalten. Die Positionierung als Hochzeitshaus gemeinsam mit dem Brautkleid-Studio und der Änderungsschneiderei im Haus sei aber von sich aus schon ein großer Vorteil, der viele Kunden auch und trotz der Baustelle angelockt hätten.

 

Autos fahren wieder unter der Bahnbrücke entlang. Nach vier Jahren Umbau ist die Strecke von der Innenstadt in Richtung Sollingtor wieder passierbar.

Auch für Hans-Jürgen Mix war die Baustellen-Zeit eine ungewöhnliche. Referenzwerte, wie es vor der Baustelle war, hat er nicht. Denn die Übernahme des Textilhandelsvertriebs Knobloch & Knebel erfolgte noch während der Anfangsphase des Baus. „Deshalb ist es für mich und mein Team jetzt spannend zu sehen, was ohne die Baustelle passieren wird“, sagt Mix. Und die Vorfreude hierzu ist groß. „Unser Angebot richtet sich ja hauptsächlich an Geschäftskunden. Aber nun sind wir natürlich für alle wieder einfacher zu erreichen – auch für unsere Lieferanten“, sagt der Unternehmer.

Die Firma Medecke begrüßt Autofahrer derzeit mit einem großen Plakat und dem Hinweis; „Wir sind noch hier“. Die Handwerker mussten trotz der Baustelle jeden Morgen raus zum Kunden. Auch deshalb blieben große Probleme aus, verrät Zacharias Medecke. „Unsere Kunden besuchen wir ja meist Zuhause und machen dann gezielte Termine in der Badausstellung.“ Eng wurde es erst zum Schluss, als auch vor der eigenen Haustür gebaut wurde. Vor allem auf die Parkplätze wurden vermisst. „Aber auch das haben wir in guter Absprache mit der [Baufirma] überstanden.“

Mit Rockfit hat es das jüngste Unternehmen am Bahnhof direkt getroffen, als Anfang 2019 zum ersten Mal die Tore aufgeschlossen wurde. „Wir hatten einen sehr guten Start“, sagt Inhaber Dimo Emmermann, „allerdings war die Vollsperrung der Kreuzung Bahnhofstraße doch zu spüren.“ Plötzliche fühlte man sich wie auf einer einsamen Insel und fernab der Stadt. Aber statt sich zu verstecken, hat das junge Unternehmen kräftig die Werbetrommel gerührt. „Dank Social Media und vor allem unseren motivierten Mitgliedern haben wir den Kontakt zur Außenwelt nicht verloren“, sagt Emmermann. Tatsächlich haben viele sportbegeisterte trotzdem den Weg in die Crossfit-Box gefunden. Nun nach der Eröffnung ist die Erleichterung trotzdem groß.“[Wir] freuen uns nun im Zentrum der Stadt ansässig zu sein“, sagt Emmermann.

Von der Deutschen Bahn hätte es übrigens einen Fond gegeben, der eingesprungen wöre, hätte eines der Unternehmen tatsächlich herbe Verluste im Vergleich zum Zustand vor der Baustelle eingefahren.

Ruhe von der Stadt

Enttäuscht zeigen sich die Anlieger von der Stadt Northeim. Denn aus dem Rathaus hätte es während der Bauzeit nur wenige Infos gegeben. Nur durch die Nähe zur Baustelle sei mit den dortigen Verantwortlichen ein Kontakt entstanden, der die Anlieger mit Informationen versorgte. Dass es obendrein keine offizielle Eröffnung als symbolischen Akt gegeben habe, passe dazu ins Bild. Für die Anlieger gab es ein gemeinsames Essen und auch die Bauzeit selbst habe viel Zusammenhalt hervorgebracht.

Die Stadt Northeim selbst bewertet die Bauzeit sehr positiv und „bedankt sich hier ausdrücklich nochmal bei den Anliegern und Gewerbetreibenden für ihre Geduld während der Bauphase.“ Vor allem der Kontakt zur Baufirma war sehr eng, mögliche Probleme wurden bei wöchentlichen Baubesichtigungen angesprochen. „Für die Anlieger wurde während der gesamten Bauzeit eine Bürgersprechstunde vor der wöchentlichen Baustellenbesprechung angeboten“, heißt es außerdem aus dem Rathaus. Die Bauphase sei „ein gutes Beispiel für gute Zusammenarbeit“ gewesen.

Schön geworden

Zufrieden sind alle Anlieger aber mit dem Ergebnis. „Vorher war alles sehr dunkel und schmutzig. Das ist jetzt natürlich ganz anders und wertet das Gebiet unheimlich auf“, sagt Vaupel, der nun ebenfalls für die Zukunft plant. Denn langfristig soll rund um das Grundstück ein kleines Zentrum zum Einkaufen entstehen. „Vielleicht sogar mit einem Café, aber da laufen noch Gespräche mit der Stadt“, sagt Vaupel. Ziel wird es nun sein, Kunden wieder in den Bereich rund um den Bahnhof zu locken. Und auch die Northeimer selbst müssen sich nun daran erinnert, dass man dort wieder lang fahren kann.

Übrigens: Wer den Gedenkstein zum Zugunglück vom 15. November 1992 vermisst. Der hat nun ein neues Zuhause am Bahnhofsvorplatz gefunden.

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