Nach der Premiere im Mai sind am vergangenen Freitag erneut fast 200 jugendliche in Northeim auf die Straße gegangen. Am weltweiten „Fridays for Future“  protestieren jungen Menschen für eine bessere Umweltpolitik, nun wieder auch in Northeim. In den sozialen Medien ernten sie dafür Spott, Häme und zum Teil herablassende Kommentare und Hass. Wer sich bisher aber noch nicht geäußert hat, ist die Northeimer Politik. Ich habe deshalb direkt nachgefragt.

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Hass im Internet

Für die Veranstalter der Demonstration in Northeim war die zweite Auflage des Fridays for Future in der Rhumestadt eine erfolgreiche Steigerung, erzählen sie im Anschluss. Zumindest bei Facebook aber weht ihnen ein ziemlich brauner Wind entgegen – ein echter Shitstorm. Teilweise unter der Gürtellinie, vor allem aber herablassend. Der Vorwurf: Die Schüler nutzen nur die schulfreie Zeit, lassen sich von einem „linksgrünversifften“ Thema instrumentalisieren – oder seien schlichtweg dumm. Mehr als 200 Kommentare hat alleine dieses Video der HNA.

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Wenn die Kommentarspalten in social media Netzwerken der Spiegel der Gesellschaft wären, würde mir Angst und Bange.

Nur wenige positive Stimmen melden sich dort ebenfalls in den Kommentaren und sprechen den jungen Menschen Mut und Bewunderung zu. Tatsächlich gehöre viel Mut und Willen dazu, einen solchen Protest auf die Beine zu stellen, heißt es dort an vielen Stellen. Die Kritik geht aber auch an den Organisatoren nicht vorbei. Hanna Zoike gehört zum ORga-Team der Northeimer Fridays for Future und griff schließlich selbst in die Kommentarspalten ein.

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Bei Instagram habe ich die Gruppe gefragt, wie sie insgesamt mit dem Hass umgehen, der ihnen entgegengebracht wird. Die Antwort wirkt dabei ziemlich selbstbewusst. „Wir finden es ganz ehrlich: sehr lächerlich.“ Ihr Gegenargument: „Wir setzen uns für die Umweltpolitik ein, damit die Politik mal vorankommt und durch Erwachsene, die selbst auch etwas tun könnten, von denen kriegen wir Hate und Kritik. Wir finden es lächerlich.“

https://steadyhq.com/de/northeim-jetzt

Das sagt die Politik

CDU
Malte Schober

Malte Schober ist Chef der Northeimer CDU und selbst Lehrer. Den jungen Erwachsen spricht er seine Anerkennung für ihre Sorgen aus. „Aus ihrer Sicht, auch nach dem letzten trockenen Sommer und mit dem in den Schulen vermittelten Wissen, ist erstmals ihre Zukunft konkret bedroht.“

Ihre Motivation nehmen die Jugendlichen laut Schober vor allem aus einer sehr greifbaren Zukunftsangst. „Da nicht genau vorhersagbar ist wie sich die Klimaveränderungen darstellen werden, haben vermutlich viele eine gewisse Zukunftsangst aufgebaut, die vielleicht mit der Angst vor einem Atomschlag während des Kalten Krieges im 20. Jahrhundert oder der Zeit nach dem 11. September 2001 vergleichbar ist.“

Obwohl die CDU zuletzt vor allem von jungen Menschen in großem Umfang abgelehnt wurde, sieht Schober zumindest die eigene Arbeit in Northeim bestätigt: „Besonders positiv finde ich, dass sich junge Menschen in großer Anzahl für Politik interessieren, nachdem gesellschaftlich immer von der Politikverdrossenheit der jungen Generation gesprochen wurde. Erfreulicherweise spüren wir das seit einiger Zeit auch in der CDU, da eine Vielzahl junger Menschen mit uns Politik gestalten möchte und das auch bereits erfolgreich tut.“

Schließlich gebe es auch direkt vor der Haustür ausreichend Umweltthemen, denen sich die Lokalpolitik stellen müsse. „Konkret vor Ort ist das Beispiel Windräder interessant. Wir brauchen erneuerbare Energien, um unserem Wunsch nach einem Ausstieg aus Atom- und Kohlestrom nachzukommen. Trotzdem möchte niemand, verständlicherweise, so eine Anlage mit über 200m Nabenhöhe neben seinem Garten haben. Hier muss die Politik vor Ort sinnvoll vermitteln. Es ist ein Kompromiss zu erzielen, der unserer Meinung nach nur so aussehen kann, dass die Anlagen nur dort installiert werden, wo der maximale Schutz von Mensch und Tier in unserem Stadtgebiet gewährleistet ist. Das ist übrigens in Bühle nicht gegeben.“

GRÜNE
Maximilian Koch

Für Maximilian Koch von den Grünen und als Initiator des Jugendberates ist es „grundsätzlich […] sehr zu begrüßen, dass die „fridays for future“-Bewegung nun auch in Northeim angekommen ist.“ Für ihn ein klarer Beweis, das die Jugendlichen in Northeim keineswegs unpolitisch seien.

Auch die Kritik im Netz hat er mitbekommen.  „Ich finde es auch durchaus nachvollziehbar, dass die Jugendlichen nicht jede Woche eine Demo organisieren, da natürlich in einer kleineren Stadt wie Northeim die Arbeit auf weniger Menschen aufgeteilt wird, zum anderen aber von seiten einer Northeimer Schule einiges unternommen wird, die Teilnahme der eigenen Schülerinnen und Schüler zu unterbinden.“ Vorbildlich habe laut Koch die Thomas-Mann-Schule auf das Thema reagiert. Parallel zum ersten Fridays for Futur, fand dort ein öffentlicher Projekttag auf dem Münsterplatz statt.

Die Forderung des Klimanotstandes für Stadt und Landkreis gehe laut Koch auch aus den Anmerkungen der Jugendlichen aus Protesten und Gesprächen hervor.

„Zum Engagement der Northeimer Jugendlichen möchte ich noch hinzufügen, dass ich beispielsweise im Jugendbeirat, aber auch in weiteren Kontexten bemerken konnte, wie insbesondere die jüngere Generation darauf achtet, keine Plastik-Wegwerfartikel zu verwenden, sondern auf Mehrzweckbecher (beispielsweise bei der Aftershow-Party des Stadtfestes) zu setzen, oder falls möglich Plastik komplett zu vermeiden.“

 

AFD

Maik Schmitz sitzt für die Alternative für Deutschland im Northeimer Stadtrat und ist Vorsitzender der Partei in Northeim. Die freitäglichen Proteste der jungen Menschen sieht er dabei

Maik Schmitz, AfD Northeim / FOTO: Privat

kritisch, vorneweg „die schwedische Autistin Greta Thunberg“ als Initiatorin. „Gegen linksgrüne Klimahysterie verwehren wir uns auf das Äußerste.“

Und dazu gehöre auch die Art und Weise des Protestes Jugendlicher am Fridays for Future. Die AfD und Schmitz sind absolut dagegen. „Die AfD hat bereits mehrfach betont, dass die Teilnahme an solchen Demonstrationen zu missbilligen und die kreiseigenen Schulen aufzufordern [sind], rigoros durchzugreifen, sollten einige Schüler die Schule für die Teilnahme an solchen Demonstrationen schwänzen.“

Schließlich gelte für „die inflationären Schulstreiks“ am Freitag: „Dabeisein ist alles – weil die Demo für den Klimaschutz im Zweifel die lässigere Veranstaltung ist als zwei Stunden Latein und danach noch Physik.“ Laut Schmitz gebe es „eine Schulpflicht […] und kein Grundrecht auf Demonstrationen am Freitagvormittag“.

Dabei unterstellt er: „Mit dem Einwegbecher von Starbucks mal kurz zur Klima-Demo, dann rasch noch ein, zwei Bilder bei Instagram posten und wieder ab nach Hause“, und fragt: „ist das die neue deutsche Protestkultur?“

Das Lob, Schüler zeigen damit immerhin Interesse an der Politik, kann er dabei nicht aussprechen. „Lange Zeit dachte man, dass Schüler unpolitisch sind. Das ist auch immer noch so, nur heute werden sie vor einen linksgrünen Karren gespannt, um wahnwitzige Klimaziele mit der vermeintlich schwindenden Zukunft unserer Kinder zu verknüpfen“.

SPD
Tobias Meinshausen (SPD)

Für die SPD habe ich Tobias Meinshausen gefragt, Vorsitzender der Northeimer Sozialdemokraten. Vom Engagement der Jugendlichen zeigt er sich beeindruckt. „Seitens der (Kommunal-) Politik gilt es, nicht nur im Hinblick auf kommende Wahlen, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und ihre Anliegen […] ernst zu nehmen.“

Die „Fridays for Future“-Bewegung ist für ihn dabei keinesfalls nur ein Bundesthema. Viel mehr sei es nun wichtig, „bereits im Kleinen dafür zu sorgen, dem Klimawandel das Menschen mögliche entgegen zu setzen.“

„Im Ergebnis bleibt feszuhalten, dass sich der Einsatz der Jugendlichen lohnen wird und auch lohnen muss. In Zeiten einer vermeintlichen Politikverdrossenheit ist dies ein gutes Zeichen, das die jungen Menschen hier setzen. Wird der Einsatz auch noch im Schulunterricht hinsichtlich einer Demokratieteilhabe verwertet und aufgearbeitet, so ist allen geholfen“, so Meinshausen

 

BÜRGERMEISTER
Northeims Bürgermeister Simon Hartmann

Auch Northeims Bürgermeister Simon Hartmann begrüßt „das Engagement der Jugendlichen für mehr Klimaschutz sehr“. Ohne die Proteste im Rahmen der Fridays for Future „hätte das Thema längst nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen“.

„Wir brauchen dringend Bewegung auf allen Ebenen: zuallererst ein Klimaschutzgesetz im Bund, das konkrete Maßnahmen im Bereich der Energieeinsparung, der klimaneutralen Mobilität und der Müllvermeidung benennt.“

Allein die Forderung nach oben delegieren, ist aber nicht Hartmanns Wunsch, und zeigt sich selbstkritisch. „Bereits im Jahr 2015 hat der Rat der Stadt Northeim ein Klimaschutzkonzept beschlossen. Durch andere Schwerpunktsetzungen und das lange Warten auf einen Förderbescheid seitens des Bundes für die Stelle Klimaschutzmanagement ist bisher noch nicht allzu viel passiert.“

Ab Herbst soll im Rathaus ein Klimaschutzmanager beschäftigt werden. „Danach werden wir die konkreten Maßnahmen umsetzen und gemeinsam mit allen, die daran mitwirken möchten, auch neue Ideen entwickeln.“

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