Am 6. Februar stehen junge Menschen auf der großen Bühne der Northeimer Stadthalle und werden Texte vorlesen, die sie selbst geschrieben haben. Wobei vorlesen nicht ganz stimmt. Denn beim Poetry Slam geht es um mehr als nur Gedichtevorlesen. Viel mehr.

Poesie

In der Aula des Corvinianums in Northeim kämpfen sich junge Stimmen an den hohen Wänden empor. Auf einer kleinen Bühne verlieren sich zaghafte Gesten vor ewig weißem Hintergrund. Auf der Tafel ist mit Kreide liebevoll „Poetry Slam“ geschrieben. Nach und nach stehen Schüler aus einem Sitzkreis auf, unter Applaus, der so energisch ist, das er einstudiert wirkt und trotzdem Mut machen soll für den Gang auf die Bretter, vielleicht zehn Zentimeter höher als der normale Linoleum-Fußboden. Eine Plastikflasche, halber Liter Apfelschorle, soll den Ort zeigen, an dem das Mikrofon stehen könnte. Halt gibt nur ein Stück Papier in der Hand, mit Zeilen, Worten und manchmal Reimen.

Worte von Finalisten. Worte, die am 6. Februar in der Stadthalle durch ein echtes Mikrofon gesprochen werden. Über Wochen gingen diese Worte vorher durch die Klassen des zehnten Jahrgangs am Corvi. Die besten von ihnen sitzen zusammen, zwei Wochen vor dem großen Termin, präsentieren sich gegenseitig ihre Texte, verbessern sie, tragen sie vor. Wer bei einem Poetry Slam auf die Bühne steigt, wird mehr tun als nur einen Text vortragen. Egal ob abgelesen oder auswendig gelernt, geht es noch viel mehr um das Wie, statt nur das Ob.

Die Poesie-Schlacht ist viel mehr Wettbewerb als Schlacht. Denn es gibt kein wirkliches Gegeneinander, sondern ein Rennen um die Gunst des Publikums. Es geht um Lacher, um Stirnrunzeln, Begeisterung, Angst, Trauer – um Emotionen. Poesie eben.

Lehrmeister

Wenn Felix Römer spricht, will ihm jeder zuhören. Das ist vor allem deshalb super, weil er damit seinen Lebensunterhalt verdient. Der 40-Jährige gilt als Pionier der deutschsprachigen Poetry-Slam-Szene und steigt mit seinen gefühlvollen, humorvollen und gewaltigen Texten seit mehr als 15 Jahren auf die Bühnen. Seine bassige, rauchige und doch weiche Stimme ist wie gemacht für diesen Job. Seit etwa zehn Jahren spricht er auch vor kleinerem Publikum: in Schulen, Workshops, Seminaren. Immer etwas frech, immer liebevoll – wenn Felix Römer spricht, will jeder wissen, was er zu sagen hat.

 

Felix Römer ist so etwas wie ein Star der deutschen Poetry-Slam-Szene. Wenn er nicht auf einer Bühne steht, gibt er Workshops wie hier im Northeimer Corvinianum

Und das ist eine Menge: Tipps, Tricks, Aufmunterung. Dinge, die Schüler brauchen, die zum ersten Mal ihre ganz eigenen Texte auf einer Bühne lesen. Weil sie ein Stück von sich preisgeben, einen Blick in die Seele zulassen. Denn Worte sind mehr als nur Buchstaben. Auf jede Betonung, jeden Laut und jeden Tempowechsel kommt es an. So wird der Text über seinen Inhalt hinaus lebendig. Er wird fast zu Musik, das haben die Schüler schnell verstanden.

Die Musik in Felix Römers Stimme ist rau wie die See, was er sagt aber sanft und weich wie eine Umarmung. Wenn er diese Workshops gibt, blühen Junge Menschen vor ihm auf, ohne das sie jemals von ihrem Talent etwas wussten. „Das ist wunderschön zu sehen“, sagt er. Gerader Rücken, laute Aussprache. Manche Schüler finden durch diese Workshops zu sich selbst, andere entdecken ganz neue Seiten an sich. Im Ergebnis steigt bei allen das Selbstbewusstsein.

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Die zweite Lehrmeisterin ist Leticia Wahl, ebenfalls eine Größe im deutschen Poetry-Slam Universum. Sie animiert die Schüler dazu, die ganze Bühne für sich zu nutzen. Denn die Show, die Darbietung, das Drumherum sind wesentliche Bestandteile des Poetry-Slams. Und Motivation. Schon früh lernen die Final-Teilnehmer, sich gegenseitig zu motivieren, aufzumuntern und zu unterstützen. Die Poetry-Slam am 6. Februar wird eine Team-Leistung sein. Jeder, der auf der Bühne steht, soll darauf stolz sein können. Der dritte im Bunde ist Joachim Linn, Organisator der Slams in Göttingen.

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Am Corvinianum kümmern sich die Lehrer Marco Wolff und Katja Rott um die Organisation des Wettbewerbs. Die Worte setzen oftmals etwas frei in den Jugendlichen, dass sie nie von sich möglich gehalten haben. Schüler, die sonst still und zurückhalten den Unterricht über sich ergehen lasse, werden selbstbewusst und laut. Und zwar nachhaltig, bemerkt Wolff. „Meine Kollegen kommen dann auf mich zu und fragen, ob das immer noch derselbe Schüler ist.“ Ein Effekt, der wichtig ist. Denn als sie vor Jahren das erste Mal mit der Idee an ihre Kollegen traten, war nicht nur pure Begeisterung das erste Feedback.

Leticia Wahl macht es deutlich: Beim Poetry-Slam wird nicht bloß vorgelesen, sondern ein Text auch vorgelebt. Gesten, Stimme, Mimik – ein bisschen Schauspielerei gehört dazu.

Poetry Slam wirkt also. Deshalb ist es auch Katja Rotts Wunsch, dass nicht nur das Corvi an diesem Projekt für Northeim teilnimmt. In der Vergangenheit waren die Schüler der IGS Bodenfelde mit dabei, diesmal nicht. Auch die BBS winken immer wieder ab, dabei gehörten die Literaturtage vor einigen Jahren noch fest zum Jahresprogramm.  Deshalb sollen sich andere Schulen im Stadtgebiet und im Landkreis weiterhin angesprochen fühlen. Der Erfolg gibt schließlich Recht.

Der Slam

Der Poetry Slam am 6. Februar wird präsentiert vom Förderverein der Stadthalle Northeim. Einlass ist um 18.18 Uhr, ehe es um 19 Uhr richtig losgeht. Schüler kommen kostenfrei hinein, alle anderen zahlen fünf Euro Eintritt. Moderiert wird der Abend von Felix Römer. Neben den Schülern wird es außerdem einen Überraschungs-Vortrag geben, verspricht Sylvia Ernst vom Förderverein der Stadthalle. Um was es dabei aber genau geht, wird noch nicht verraten.

Karten gibt es an den bekannten Vorverkaufs-Stellen bei der HNA, Hallo, am Corvi, Papierus, Northeim-Touristik und der Buchhandlung Grimpe. Also überall.

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