Bürgermeister Simon Hartmann ist optimistisch. „Sogar optimistischer als sonst bei anderen Angelegenheiten.“ Euphorisch und „hoffnungsvoll“ sind auch Christiane Unger, Wirtschaftsförderin, Tanja Bittner, Stadtmarketing, und Helvi Ritter von der Northeim-Touristik. Innerhalb der kommenden sechs Monate stellen sich alle drei Sektoren eine wesentliche Frage: was ist die Identität von Northeim? Und wie müssen sich alle drei verändern, um den Standort zu stärken? Bei der Umformung von Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung und Touristik hilft außerdem eine Agentur aus Lübeck.
Liebe. Halbtags.
Die Frage über die Zukunft des Stadtmarketings in Northeim ist eine klassische On-Off-Beziehung. „Wir haben erstmals 2016 die Frage aufgestellt, wohin es gehen soll“, sagt Helvi Ritter, Geschäftsführerin des Northeim-Touristik e.V. Sowohl ihr Resort als auch das Stadtmarketing mit Geschäftsführerin Tanja Bitter sind derzeit als Verein organisiert. Stadtführung und Hotelrouter auf der einen, Klostermarkt und City-Werbung auf der anderen Seite werden seit Mitte der 1990er Jahren mit zwei Halbtagsstellen und einem knappen Budget umgesetzt. „Es wird Zeit, dass wir uns professionell aufstellen“, ist deshalb die Erwartung von Stadtmarketing-Chefin Tanja Bittner.
Im Rathaus hat man sich spätestens mit der Schaffung der Stelle der Wirtschaftsförderung dazu entschieden, dass etwas passieren muss. Diese Stelle ist seit gut anderthalb Jahren mit Christiane Unger besetzt. Dieses Trio nun soll sich Gedanken machen, wie es weitergeht mit Wirtschaft, Handel und Tourismus. Ihnen zur Seite steht die Lübecker Agentur Cima. Die Norddeutschen rühmen sich damit, seit 30 Jahren genau das zu machen: herausfinden, was Städte stark macht und wie sich diese Kräfte bündeln lassen. Zuletzt, beteuert Chef Uwe Mantik, auch in Göttingen.
Mit Umfragen und Analysen, Gesprächen und Ideen soll es ihnen nun gemeinsam mit den Northeimern gelingen, der Stadt wieder ein Profil zu geben. Dabei gilt es herauszufinden, was genau die Rhumestadt mit ihrem Fachwerk und dem Gros an Natur ausmacht. Doch dabei gibt es eine wesentliche Fragestellung, da sind sich alle Beteiligten einig: Warum mögen die Northeimer ihre eigene Stadt nicht?
Es geht ums Geld
Auch Bürgermeister Simon Hartmann spricht bei diesen Grundsatzfragen von einem „Prozess, der nie weitergeführt wurde“. Doch „waren wir noch nie so weit wie jetzt. Die Stadt hat große Chancen, sich für die Zukunft aufzustellen“. Diese sogenannte Post-Corona-Phase versteht der Rathauschef also als Gelegenheit, sich weiter zu hinterfragen. Vor allem: was bleibt danach noch übrig?
Hartmann sieht in dieser Entscheidung „die Chance, etwas touristisches zu etablieren und mit der Innenstadt durchzustarten“. Unterstützung bekommt er dabei aus der Northeimer Politik. Laut Wirtschaftsförderin Unger habe der Verwaltungsausschuss schon im Oktober des vergangenen Jahres die Mittel für die Agentur-Unterstützung genehmigt. Insgesamt kostet diese rund 45.000 Euro. Dabei teilen sich die Stadt und die beiden Vereine die Kosten zu je einem Drittel. Bis zum Sommer sollen die ersten Ergebnisse vorgestellt werden.
Bis dahin laufen Umfragen bei den Bewohnern, Unternehmern und Handelnden der Stadt. Dann, so die Cima-Verantwortlichen, würde sich ein klares Bild ergeben, wohin die Reise gehen könnte. Das fertige Konzept beschreibt die Agentur wie ein Haus, unter dessen Dach – das Image einer Stadt – alles weiterer nach Unten steuert. Ein wesentlicher Backstein dieses Konzeptes ist aber vor allem die Frage: Wer soll das alles bezahlen?
Hoffnung und Inspiration
Denn genau an dieser Frage scheiterte bisher jede Entwicklung. Das geben auch Bittner und Ritter zu. „Wir haben immer alles Mögliche getan, aber nie darüber hinaus“, so Ritter. „Wir sind optimistisch und wissen, dass dieses Klein-Klein nicht weitergeht. Dazu braucht es aber auch finanzielle Mittel, und das muss gewollt sein“, ergänzt Bittner.
Was genau dann am Ende herauskommt, da will und kann Bürgermeister Hartmann nicht vorgreifen. Zwischen den Zeilen machen Stadt und Agentur aber deutlich, dass die Aufteilung in zwei Vereine wenig Sinn ergibt. Birgit Ohlmer als Vorsitzende des Stadtmarketing-Vereins spricht es aus: „Die Stimmung ist sehr positiv. Mit zwei Vereinen, die nebeneinander herarbeiten, sind wir nicht gut aufgestellt.“
Wie das neue Konstrukt dann heißt und welche Form es hat – Verein, Stiftung oder GmbH – das müsste jetzt aber die Arbeit der Cima zeigen. Indem die ersten Ergebnisse vorgetragen werden und die Beteiligten ins Handeln kommen, sollen auch Unternehmen und Sponsoren begeistert werden, um dieses neue Standortmarketing zu unterstützen und sich zu beteiligen. Denn bisher lebt zum Beispiel der Stadtmarketing-Verein vor allem von den Mitgliedsbeiträgen. Die aber haben sich über die Jahre immer weiter zurückgezogen.
Auch deshalb sind alle Beteiligte ergebnisoffen. Auch, was personelle Entscheidungen angeht. Helvi Ritter hat auch deshalb die Hoffnung, „dass wir am Ende gemeinsam in eine Richtung Marschieren. Eine gute Idee führt zum Erfolg und tut finanzielle Quellen auf.“ Und auch Cima-Chef Mantik sieht sich und die Lenkungsgruppe vor Ort nun „in der Bringschuld“.
Auftakt mit Umfrage
Los geht es ab heute schon mit einer öffentlichen Umfrage. Unter www.befragung-northeim.de können alle Bürger der Stadt ihren Eindruck zur aktuellen Lage abgeben. Dabei soll auch ein klares Bild über die Stärken und Schwächen erstellt werden. Um die Teilnahme an der Umfrage schmackhaft zu machen, gibt es im Anschluss 15 Northeimer Stadtgutscheine im Wert von jeweils 20 Euro zu gewinnen.
Anschließend wartet auf alle Beteiligte „eine Mehrarbeit, die wir sehr gerne machen“, sagt Tanja Bittner. Geht alles nach Plan und im Juli stehen die ersten Ergebnisse fest, soll direkt auch der Rat der Stadt alles auf den Weg bringen. Spätestens Anfang 2022 soll dann mit neuem Konzept losgelegt werden. „Wir erwarten von allen dreien – Stadtmarketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung – kreative Visionen und erfolgreiche Projekte“, so Hartmann.