Blitz, Donner und Hagel hängen noch in der Luft, als am Freitagnachmittag die ersten Einsatzfahrzeuge ausrücken. Für das Technische Hilfswerk (THW) Northeim beginnt ein Wochenende, das seine Helferinnen und Helfer bis an die Belastungsgrenze fordert: Eine 24-Stunden-Übung mit sechs realistisch inszenierten Szenarien. Und sogar einem echten Einsatz.

Rettung zwischen Beton und Blech

Moringen, früher Abend: Blaulicht zuckt über die Landstraße, die Übungslage ist ernst. Mehrere Verletzte nach einem simulierten Verkehrsunfall, dazu eine Person, die unter einer tonnenschweren Betonröhre eingeklemmt ist. Feuerwehr und THW arbeiten Schulter an Schulter, setzen Hydropresse, Schere und Spreizer ein. Während die einen den „Verletzten“ befreien, beginnen andere mit der Suche nach Vermissten. Routine und Präzision, doch auch spürbare Anspannung in den Gesichtern.

Feuer und Wasser in der Dunkelheit

Später, gegen 23 Uhr, drückt schwarze Nacht über den Nordhafen. Ein Boot steht in Flammen, Menschen sollen im Wasser treiben. Rauch quillt von einem Ponton, während die Mehrzweckboote des THW in die Dunkelheit stechen. Feuerwehrleute greifen das Feuer an, die DLRG rückt mit Strömungsrettern nach. Am Ufer errichten die Helfer Scheinwerfer, deren gleißendes Licht die Szene fast surreal wirken lässt. Ein Schreckensbild, realistisch genug, um jedem Beteiligten den Ernstfall ins Gedächtnis zu rufen.

Atemschutz in der Scheune

Der Morgen dämmert kaum, da führt der nächste Alarm nach Langenholtensen. Ein angenommener Suizid, Chemikalien in einer Scheune, Einsatz unter schwerem Atemschutz. In acht Metern Höhe wird das „Opfer“ geborgen. Nach dem Zugriff geben Polizeikräfte wichtige Hinweise zum Verhalten an einem potenziellen Tatort. Auch das Thema Nachsorge rückt in den Blick – wie gehen Einsatzkräfte mit belastenden Situationen um? Fragen, die in den stilleren Momenten hängen bleiben.

Grubenrettung und plötzlicher Ernstfall

Auf dem Gelände eines Kiesabbaubetriebs ist ein Fußgänger in eine Grube gestürzt. Die Abbruchkante wankt bedrohlich. Routiniert sichern die THW-Spezialisten die Grube mit Spundwänden und Streben, bis die Feuerwehr mit der Drehleiter den „Verletzten“ bergen kann.

10:05 Uhr – ein Schockmoment: Der nächste Alarm ist kein Teil der Übung. Ein Auto ist in ein Fachwerkhaus im Landkreis Holzminden gekracht. Das Baufachberaterteam des THW muss sofort ausrücken, die Statik des beschädigten Gebäudes prüfen. Plötzlich zählt nicht mehr die Simulation, sondern der echte Einsatz.

Atemlose Höhe: Rettung vom Kran

Katlenburg: Ein bewusstloser Kranführer hängt in 30 Metern Höhe. Kollegen liegen eingeklemmt unter Stahlträgern. Mit vier Mann entern die THWler den Kran, lassen den Dummy-Kranführer per Rollgliss in die Tiefe. Unten schiebt der Telelader tonnenschwere Lasten beiseite. Sekunden wirken wie Minuten – und doch gelingt die Rettung, wie im Drehbuch.

Finale am Kiessee

Der Samstag neigt sich dem Ende, doch eine Überraschung wartet noch. Feuerwehrleute haben für das THW ein eigenes Szenario vorbereitet: illegales Autorennen, schwerer Unfall am Kiessee, mehrere Verletzte. Diesmal arbeiten die „Blauen“ mit dem Gerät der Feuerwehr, um die Ausrüstung der Kameraden kennenzulernen. Ein bewusst gesetzter Perspektivwechsel, der zeigt: Im Ernstfall muss jede Hand jedes Werkzeug beherrschen.

Fazit in Blau und Rot

Unterstützung gab es von der Northeimer Feuerwehr und dem Deutschen Roten Kreuz. „Dieses Zusammenspiel war eines der wesentlichen Ziele der Übung“, resümiert THW-Zugführer Marcel Böker erschöpft, aber zufrieden. „Wir haben unser Können geprüft und zugleich viel Neues gelernt – in einer großartigen kameradschaftlichen Atmosphäre.“ 24 Stunden, die alles boten: dramatische Szenarien, echte Einsätze und den Beweis, dass das Zusammenspiel von THW, Feuerwehr, DRK, DLRG und Polizei funktioniert, wenn es darauf ankommt.

Text und Bilder: Michael Aue, THW Northeim

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