Der Rosenmontag ist in Höckelheim noch nie ausgefallen. Ende der 1980er-Jahre fiel der Umzug einmalig dem ersten Golfkrieg zum Opfer. Gefeiert wurde trotzdem: in den Kneipen, den Stuben und Kellern. In diesem Jahr macht das alles die Corona-Pandemie aber unmöglich. In der südniedersächsische Fastnachts-Hochburg Höckelheim verarbeiten das die Narren auf ihre ganz eigene Art und Weise.
Trotz und Schmerz
Folgende Dinge gibt es an einem Rosenmontag in Höckelheim eigentlich nicht: Leere Straßen und Wege, Vogelgezwitscher und spätwinterliche Ruhe. Parkende Autos am Straßenrand, einsame Spaziergänger und einen Stadtbus um kurz nach halb Elf. Doch in diesem Jahr ist auch Höckelheim wie fast jedes andere Dorf in der Region. Aber nur fast. Zwar ist der Umzug verboten und auch die Fastnachts-Partys sind abgesagt, doch ein Spaziergang im Kostüm ist nicht verboten.
An diesem Rosenmontag gibt es also zweierlei Höckelheimer. Die einen haben sich nicht wie sonst eine ganze Woche Urlaub genommen, sondern fahren zur Arbeit, zum Einkaufen oder überhaupt ganz weit weg. Zu tief sitzt da der Schmerz über die ausgefallene schönste Zeit des Jahres. Die anderen versuchen es dann doch irgendwie Corona-gerecht zu verarbeiten. In Kostümen aus den vergangene Jahren spazieren sie pünktlich ab zehn Uhr durchs Dorf. Keine Ansammlung, keine Gruppenbildung – nur vereinzelt sind Clowns und Piraten am Straßenrand zu sehen, den Autofahrern zujubelnd.
Die kleine Kneipe…
Vor der Kreuzung der letzten Kneipe im Dorf treffen wir wieder auf Anke Herbst. Gemeinsam mit einer Freundin hat sie sich in ein buntes Kostüm gekleidet und grüßt den vorbeifahrenden Autos zu. Auch der Stadtbusfahrer schaut erstmal seltsam drein. Vereinzelt gehen Spaziergänger vorbei, manche mit, manche ohne Kostüm. Über die Straße grüßt man sich zu, den Corona-Abstand immer vor Augen. Die Gespräche haben dabei immer denselben Inhalt. „Nächstes Jahr, da ist hier alles voll. Da geben wir richtig Gas.“
2020 war eine Woche nach Rosenmontag der erste Lockdown. „Glück gehabt“, sagen die Höckelheimer. Denn in diesem Jahr vermissen sie ihre Fastnacht ganz besonders. Wie zum Trotz zieht ein kleiner Bollerwagen mit als Krankenschwestern verkleideten Narren durch das Dorf und verteilt symbolische Impfungen. Es ist das einzige, was wenigstens ein bisschen aussieht wie ein Rosenmontagsumzug. Viel geimpft wird allerdings nicht, zu wenige trauen sich an diesem Vormittag auf die Straße. Auch die Polizei kontrolliert kurz, findet zumindest gegen 11 Uhr nichts.
Normalerweise war bis dann schon zweimal der Rettungswagen da. Normalerweise trompetete sich der Posaunenchor jetzt schon das zweite Mal durch den Dorfkern. Die Taschen der Kinder wären voll mit Süßigkeiten, die der Eltern mit kleinen Schnappsflaschen und anderen Durstlöschern. Der Umzug wäre in diesem Jahr vielleicht etwas kürzer gewesen, „wegen dem ganzen Schnee und so“. Es hätte Suppe gegeben und Wurst, Kaffee, Tee und Glühwein. Die wummernden Bässe der letzten Festwagen hätten das Herz berührt, genau so wie Prinzen- und Motivwagen ganz vorn.
Was fehlt, ist die Nähe, der Spaß und die Wärme. Was bleibt, ist die Hoffnung. Und deshalb steht es auf dem Butten der närrischen Krankenschwestern: „Ich bin geimpft und bereit für die höckelsche Fastnacht 2022.“