Präsidenten haben eines. Militärchefs sowieso. Und der Fachzug für Bevölkerungswarnung und Öffentlichkeitsarbeit der Kreisfeuerwehr Northeim auch: ein „rotes Telefon“, eine Direktverbindung zu den wichtigsten Entscheidungsträgern. In schwierigen Situationen wie Unwettern oder bei Unfällen mit Strom- oder Kommunikationsausfällen bleiben sie damit erreichbar – per Satellit und mit eigener Stromversorgung. Tatsächlich ist das Gerät jedoch schwarz und nicht rot. Was sie leisten, ist Pionierarbeit, die Leben retten kann – ganz ohne Feuerlöschen.

Dass die Feuerwehr im Jahr 2024 weit mehr zu tun hat als „nur“ Brände zu löschen, ist inzwischen vielen Menschen bewusst. Neben der technischen Rettung – etwa bei Autounfällen – gewinnt auch die Kommunikation zunehmend an Bedeutung. Denn die Bevölkerung hat insbesondere bei größeren Einsatzlagen nicht nur ein neugiergetriebenes Bedürfnis nach Informationen. In besonderen Lagen wollen die Retter die Menschen in und um das Einsatzgebiet aktiv informieren, um weiteren Schaden zu verhindern.

Der neue Fachzug

Aus diesem Grund gibt es im Landkreis Northeim seit rund einem halben Jahr die Fachgruppe „Bevölkerungswarnung und Öffentlichkeitsarbeit“. Die Kreisfeuerwehr Northeim ist ein Fachverbund mit speziellen Aufgaben, die in besonderen Fällen von Mitgliedern der jeweiligen Freiwilligen Feuerwehren aus der Region in sogenannten Fachzügen bearbeitet werden. So gibt es beispielsweise einen Fachzug für Einsätze mit Chemikalienaustritt oder für besonders große Brände, bei denen zusätzliche Ausrüstung und Manpower nötig sind.

Live von der Einsatzstelle

Der neue Fachzug „Bevölkerungswarnung und Öffentlichkeitsarbeit“ war ursprünglich die Pressegruppe der Kreisfeuerwehr, ist es in Teilen auch weiterhin, jedoch mit neuen und erweiterten Aufgaben und direkt der Kreisverwaltung unterstellt. Eine bundesweite Neuheit und Pionierarbeit für den Zugführer Konstantin Mennecke. Nicht nur Pressevertreter werden wie bisher informiert, sondern auch die Bürger: mit Warnmeldungen, Sirenen, Durchsagen. Außerdem werden Infrastrukturen aufgebaut, um Entscheidungsträger bei Großlagen einzubeziehen. So kann beispielsweise ein gesicherter Livestream von Einsatzstellen direkt in Krisenstäbe gesendet werden.

Pilotprojekt sorgt für überregionales Interesse

Diese Neuerung sorgt auch über die Landkreisgrenzen hinaus für Neugier. Kürzlich war der Fachzug bei der Großübung nahe Celle beteiligt. Bei der Übung „Eichkater“, an der etwa 1.100 Personen aus Niedersachsen und Bayern teilnahmen, wurde ein Waldbrand-Szenario angenommen. Auch der Fachzug der Kreisfeuerwehr Northeim war vor Ort. „Das war für uns der erste richtige Stresstest: Mitten in der Übungslage haben wir Liveschaltungen ermöglicht“, erklärt Konstantin Mennecke. Die Herausforderung bestand darin, dass es in dem Waldgebiet nahe Celle keine flächendeckende Netzabdeckung gab, sodass vor Ort auf Satellitenkommunikation zurückgegriffen wurde. „Wir hatten ein Einsatzfahrzeug, das wir technisch zu einem Schnittplatz mit Satellitenkommunikation aufgerüstet haben, und unser Kameramann war ebenfalls per Funkstrecke angebunden. Die Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen am Sportplatz erfolgte ebenfalls über Satellit.“ Dies zeigte, dass der Fachzug Bevölkerungswarnung auch im Landkreis Northeim von jedem Ort aus kommunizieren und senden kann. „Ein Livebild, etwa aus der Luft von einer unserer Drohnen, ist viel hilfreicher als jede Erzählung via Funk oder Telefon“, betont Mennecke.

Das eigentlich schwarze „Rote Telefon“ der Feuerwehr

Luftbilder retten Leben

Der Fachzug ist mit moderner Technik ausgestattet. Eine große Drohne kann fast eine Stunde in der Luft bleiben und liefert wertvolle Bilder von Einsatzlagen. Sie kam bereits mehrfach zur Unterstützung der Polizei zum Einsatz, um vermisste Personen zu finden – mit Suchscheinwerfern und Lautsprechern. Dank Starlink sind die Retter der Fachgruppe Bevölkerungswarnung und Öffentlichkeitsarbeit ständig mit dem Internet verbunden, sodass sie sowohl Informationen erhalten als auch weitergeben können – im Notfall sogar über das eigentlich schwarze „rote Telefon“.

Menschen wollen Informationen

Das Team wächst. Mittlerweile gibt es sogenannte „Warntrupps“ im gesamten Landkreis. Mitglieder verschiedener Ortsfeuerwehren, zum Beispiel aus Bühle, Sebexen oder Katlenburg, bilden einen Warntrupp, der etwa bei Stromausfällen oder Großbränden mit einem Lautsprechersystem durch die Straßen fährt und die Menschen informiert, warnt und aufklärt. „Wir sehen in den sozialen Netzwerken, dass die Menschen einen großen Informationsbedarf haben“, sagt Mennecke. Bevor wilde Spekulationen über die Einsätze der Retter die Runde machen und die Menschen verunsichern, versorgt der Fachzug sie gezielt mit Informationen.

Drohnen senden Livebilder von Einsatzstellen. Aber nichts ins Fernsehen, sondern zu Krisenstäben.

Das gesprochene Wort

Damit soll auch verhindert werden, dass der Einsatz der Retter sich unnötig vergrößert. Strömt an einer Baustelle beispielsweise Gas aus, weil ein Bagger eine Hauptleitung beschädigt hat, sollen die Menschen in ihren Häusern bleiben – und nicht mit einer Zigarette auf dem Balkon zuschauen. Droht ein Damm zu brechen, wird zur schnellen Evakuierung aufgerufen. Das geht inzwischen zwar auch über Warn-Apps und Direktmeldungen aufs Handy, doch der direkte Weg über Lautsprecher ist oft der einfachste. „Das üben wir immer wieder, erkennen dabei technische Herausforderungen und lösen sie mit dem Landkreis und der Kreisfeuerwehr stets schnellstmöglich.

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