Mit seiner Lesung aus dem Roman „Die Pest“ von Albert Camus sorgte Domfestspiele-Intendant Achim Lenz am Donnerstag für Gänsehaut. Per Livestream schalteten sich gut 100 Zuschauer in die Räume der Ausstellung „Hausarrest“ und die KWS Art Lounge Newcomer in Einbeck. Sie alle trauten dabei ihren Ohren nicht: ist dieser Roman wirklich von 1947?

Mit der Online-Lesung wollen alle beteiligte auch in Zeiten des Lockdowns ein kulturelles Zeichen setzen, sagt Lenz. „Ich freue mich auf Kultur in Zeiten des Lockdowns und danke unserem Partner KWS für die Gelegenheit, dieses zu ermöglichen“, lädt Achim Lenz zur Lesung im Internet ein.

Der Roman

Der Roman „Die Pest“ von Albert Camus gehört zu den postpandemischen Stoffen, die für die Gesellschaft in den nächsten Monaten immer wichtiger werde, sagt Intendant Achim Lenz. „Hier finden wir die Möglichkeit zur Reflexion und zum Durchspielen unserer momentanen gesellschaftlichen Lage.“

Camus meint mit dem 1947 erschienenen Roman auch die traumatische Erfahrung des Zweiten Weltkrieges und dessen Wirkung auf spätere Generationen. „Camus jetzt zu lesen heißt, die Dimension der Pandemie in der heutigen Zeit zu verstehen“, sagt Lenz. „Der deutsche Staat belegt die Künstler seit Beginn der Pandemie mit einem Berufsverbot: die Folgen sind Arbeitslosigkeit, Kulturverlust, Bildungsentfremdung und allgemeine Depression.“

Der Roman „Die Pest“ zeige exemplarisch auf, was passiere, wenn das kulturelle Leben durch die Herrschaft einer Krankheit, die sämtliche Bereiche des Lebens dominiere, zunichte gemacht werde, sagt der Festspielintendant.

So war die Lesung

Zu nah sind die geschilderten Bilder der heutigen Realität, zu echt wirken Maßnahmen und Entscheidungen der Protagonisten. Was damals wie Dystopie klang, wirkt heute wie ein Nachrichtenblatt. Mit Kraft und Tempo nutzt Lenz den Lesestoff für ein beeindruckendes Kunststück. Mit Leichtigkeit arbeitet er sich durch die Zeilen, mit Nachdruck durch jeden wichtigen Moment. Etwas mehr als eine Stunde liest er vor, langweilig wird es niemals. Entweder, weil der Inhalt kaltes Schaudern erzeugt.

Oder aber, weil es ganz einfach Freude bereitet, dem Domfestspiele-Intendanten Achim Lenz als hörbar gebürtigem Schweizer zuzuhören. Wo seine Sprache nicht reicht, nutzt er Gesten und Mimik – bleibt dabei aber immer entspannt im Sessel der Ausstellung sitzen. Dabei hilft ihm auch der gute Text von Albert Camus, der für spätere Werke schließlich mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.

Wer möchte, kann sich die Lesung hier noch einmal als Aufzeichnung des Livestreams anschauen.

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Die Ausstellung

Mit ihrer Ausstellung „Hausarrest“ präsentiert die Fotografin Julia Lormis aus Einbeck-Greene noch bis Ende Februar mit künstlerischen Mitteln eine Situation, die aktuell jeder Betrachter in ähnlicher Form erlebt haben dürfte. Dabei verarbeitet sie ihre Eindrücke vom Lockdown und des „zu Hause seins“ in Bildern und Anordnungen.

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