Das Kreishaus meldet am Freitag einen weiteren Corona-Todesfall im Landkreis Northeim. Die Zahl steigt damit auf fünf. Nachdem sich die Kreisverwaltung weigert, die Fallzahlen regional aufzuschlüsseln, wirft dieser Todesfall weitere Fragen zur Messung auf – und zeigt die Schwächen der erhobenen Statistik auf. 

Die Statistik 

Bei dem neuen Todesfall handelt es sich laut Gesundheitsamt um eine „Frau fortgeschrittenen Alters“. Sie befand sich laut Behördenangaben bereits im Krankenhaus und wurde „im Rahmen einer vorsorglichen Kontrolle positiv auf Covid-19 getestet“. Bereits in der Nacht, nachdem das Testergebnis feststand, verstarb die Frau. 

Ihre Erkrankung wurde demnach nur zufällig erkannt. Auch, weil seit Mai weniger getestet wird. Auf die Frage, ob sie auch an den Folgen ihrer Covid-Erkrankung verstarb, heißt es, „das kann ohne Obduktion zum  jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden“. Die Frau sei lediglich „nach einer bestätigten Infektion gestorben.“ In der Statistik der Corona-Toten im Landkreis wird sie trotzdem aufgenommen. Zuletzt meldete auch der Landkreis Northeim auch nur Todesfälle „infolge der Covid-Erkrankung“

„Als Todesopfer im Zusammenhang mit dem Coronavirus gelten alle, die zum Zeitpunkt des Todes die Diagnose Covid-19 hatten.“

Das tatsächlich durch eine Obduktion geklärt wird, woran die Frau gestorben ist, ist unwahrscheinlich. Im März empfahl das Robert-Koch-Institut noch, dass „eine innere Leichenschau, Autopsien oder andere aerosolproduzierenden Maßnahmen vermieden werden soll“.

Bereits im April korrigierte das Institut diese Aussage vorsichtig.* 

Doch auch, wer am Ende mit in die Statistik aufgenommen wird, ist nicht ganz eindeutig geregelt. Die Reporter von Correctiv hatten für ihren Faktencheck dazu bereits im April beim RKI nachgefragt. Dort heißt es: „Als Todesopfer im Zusammenhang mit dem Coronavirus gelten alle, die zum Zeitpunkt des Todes die Diagnose Covid-19 hatten.“

Wer also mit positivem Testergebnis bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, landet in der Statistik als Corona-Todesfall. Marieke Degen, Pressesprecherin des RKI, wies bei Correctiv allerdings darauf hin: „Die beschriebene Situation ist aber sehr selten, so dass die Zahl der Todesfälle nicht verzerrt wird.“

Das Ergebnis ist oft Nährboden für Fake-News-Verbreiter und Verschwörungstheoretiker. Doch auch faktische Kritik an der Zählmethode gibt es ausreichend.

*Nachtrag 21:50 Uhr

Niedrige Zahlen

Vielleicht mahnt das Kreishaus auch deshalb trotz der geringen Zahl von Neuinfektionen im Kreis Northeim weiter zur Vorsicht. Dr. Regina Pabst, Leiterin der Gesundheitsdienste beim Landkreis Northeim, warnt sogar davor, die notwendigen Abstands- und Hygieneregeln jetzt zu vernachlässigen: „Die aktuellen Infektionsausbrüche in einem Restaurant und einer Kirche mit vielen Erkrankten führen uns deutlich vor Augen, wie schnell sich das Virus innerhalb von Gruppen ausbreiten kann. Dabei drängen sich auch Erinnerungen an die Bar in Ischgl auf.“ Zur Erklärung: Im Tiroler Skiort Ischgl hatten sich unzählige Touristen mit dem Corona-Virus infiziert, unter anderem war dort ein deutscher Barkeeper an Corona erkrankt.

Die geringen Infektionszahlen im Landkreis Northeim bewertet die Behörten mit seiner konsequenten „Nachverfolgung der Kontakte infizierter Personen und die Durchsetzung der vorgesehenen Quarantänemaßnahmen durch die Gesundheitsdienste“. Anhand der Todesfälle sehe man aber weitehrin die „tatsächliche Bedrohung durch die Erkrankung“. 

Zweite Welle

„Durch die inzwischen gelockerten gesetzlichen Vorgaben ist ein Anstieg der Infektionen wahrscheinlich. Wenn die Zahl der Neuansteckungen, auch durch lokale Ausbrüche, aber zu schnell steigt, könnten auch die Krankenhäuser in unserem Landkreis an die Grenzen der Belastbarkeit stoßen“, sagt Dr. Regina Pabst .

Die Leiterin der Gesundheitsdienste gehe davon aus, dass erst zwei Prozent der deutschen Bevölkerung eine Immunität gegen das Corona-Virus aufweisen. Neue, auch größere Ausbrüche, sind deshalb jederzeit und überall möglich.

Auch Landrätin Astrid Klinkert-Kittel richtet deshalb einen dringenden Appell an die Menschen im Landkreis Northeim: „Damit uns nicht eine Welle an Neuinfektionen überrollt, die dann unsere Gesundheitsdienste und Krankenhäuser an die Grenze der Kapazitäten bringt, müssen wir alle weiterhin privat und öffentlich konsequent die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten. Das sind wir auch den Gewerbetreibenden schuldig, damit kein erneuter totaler Lock-Down erforderlich wird.“

Bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, werden wir uns noch sehr lange gedulden müssen. Dr. Regina Pabst geht davon aus, dass es noch zwölf bis achtzehn Monate dauern wird. Gemeinsam mit Landrätin Astrid Klinkert-Kittel bittet sie deshalb alle Bürger, sich die Eigenverantwortung an der Bekämpfung der Pandemie bewusst zu machen und auch dann verantwortungsvoll zu handeln, wenn Polizei und Ordnungsamt nicht hinsehen. „Mit den einfachen und wirksamen Maßnahmen Abstandhalten, Gesichtsbedeckung tragen und Händehygiene schützen wir uns selbst, unsere Familien, Freunde und Mitmenschen. Machen Sie mit.“

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